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Der berühmte Komponist Joseph Haydn verließ Wien im Jahr 1820 ziemlich kopflos. Nicht etwa, weil besondere Eile geboten gewesen wäre, denn zu diesem Zeitpunkt war er bereits seit 11 Jahren tot. Sondern weil „was die Hundsturmer Erde von ihm übrig gelassen hat” ein schauerliches Geheimnis offenbarte: sein Grab war beraubt worden. Die Diebe hatten es auf den Schädel abgesehen, von dem sie sich Erkenntnisse über besondere Merkmale erhofften, die einen genialen Musiker vom gewöhnlichen Menschen unterscheiden. Und ein Genie war der körperlich eher unauffällige, stets eine Perücke tragende Komponist zweifellos.
Haydn-Mausoleum
Seit 1954 ruhen Haydns Gebeine nun mitsamt dem Cranium würdevoll in einem Mausoleum im linken Seitentrakt der Eisenstädter Bergkirche. Ein schmiedeeisernes Gitter erlaubt einen Blick auf seinen Sarkophag aus weißem Marmor, den vier ebenfalls marmorne Engel bewachen. Einer von ihnen hält ein Notenblatt mit der „Kaiserhymne” in den Händen: jener Vertonung, die dann später als Melodie der Nationalhymne auf uns Deutsche kam. Und ganz oben um das Seelenfenster herum stehen die Namen weiterer, nicht minder berühmter Kompositionen Haydns gemeißelt: „Stabat Mater”, „Sieben Worte”, „Die Schöpfung” und „Die Jahreszeiten”.
Mögen auch seine Gebeine ihre ewige Ruhe in der weihevollen Bergkirche gefunden haben, die unsterbliche Seele des gläubigen Katholiken Haydn lebt getreu dem 117. Psalm „Ich werde nicht sterben, sondern leben und die Taten des Herrn verkünden" in seinen Werken fort, was nirgendwo deutlicher wird als in hier im burgenländischen Eisenstadt, einem schmucken Städtchen mit 15.000 Einwohnern und dem berühmten Schloss Esterházy, einst Residenz des Fürsten, in dessen Diensten Haydn über mehrere Jahrzehnte hinweg stand, und für den er über 100 Symphonien sowie etliche andere berühmte Werke komponierte.
Schloss Esterhazy
Da man in dem weitläufigen Schloss mit seinen prunkvollen Räumen, der multimedialen Haydn-Ausstellung und dem fürstlichen Weinkeller durchaus einige Stunden zubringen kann, empfehlen sich vorab zwei Vorkehrungen: zum einen, wenn man sein Auto in der Tiefgarage vor dem Schloss untergebracht hat (und wo sollte man es auch sonst parken?), der Erwerb eines 4-Stunden Pauschaltickets an der Schlosskasse. Zum anderen läßt sich der kleine Hunger, der einen von der Schloßführung ablenken könnte, sehr angenehm in jenem kleinen Café unweit des Schlossplatzes stillen, wo die Konditorenfamilie Altdorfer schon seit über 200 Jahren nicht nur süßes Backwerk zu Ehren Joseph Haydns herstellt, sondern auch leckere Topfengolatschen, auf deutsch Quarktaschen.
Den frisch gestärkten und 20 Minuten zu früh wieder im inneren Schlosshof stehenden Wartenden verkürzt die poppig-moderne Ausstellung „Haydn explosiv” mit ihren inspirierenden, von der Himmelsprojektion bis zum virtuellen Streichquartett reichenden Animationen auf unterhaltsame Weise die Zeit bis zum Beginn der Führung. Natürlich könnte man hier locker auch eine ganze Stunde mit dem Studium der Exponate und Tafeln zubringen, aber draußen ruft und winkt nun eine sympathische junge Dame die Teilnehmer der Schlossführung zusammen.
Wir beginnen in der Bibliothek. Es mag zwar größere barocke Literaturtempel geben als diesen, aber ganz sicher keine schöneren. Dafür sorgt allein schon das prächtige Deckengemälde mit seinen Allegorien auf das Schreiben und Lesen. Die Decke des Konzertsaals einige Türen weiter zieren zwar ähnliche, nicht minder schöne mythologische Darstellungen, jedoch bleibt das Wesentliche dieses Raumes für die Augen unsichtbar: es ist seine besondere Akustik. Hier erlebte so manches Haydn-Werk seine Uraufführung.
Es bleibt nicht der einzige Raum, der noch den Geist der Geschichte atmet. Mit einem von ihnen hat es sogar eine besondere Bewandtnis: hier erklang zum ersten Mal jene Melodie, auf die wir Deutsche heute „Einigkeit und Recht und Freiheit” singen, und die uns schon auf Haydns Sarkophag begegnete. Sie geht auf ein Volkslied der Burgenland-Kroaten zurück, die während der Türkenkriege aus Dalmatien in den Westen des damaligen Königreichs Ungarn flohen und in Österreich seit 1995 eine anerkannte Minderheit sind.
Auf ein sehr sorgfältig restauriertes Gemälde ist man im Schloss Esterhazy besonders stolz: es zeigt Kaiserin Elisabeth, noch keine 18 Jahre alt, in einem Kleid in ungarischen Farben, obwohl sie zu dieser Zeit noch keine gekrönte ungarische Königin war. Stolz ist man aber auch auf die wertvollen Papiertapeten, von denen einige über 300 Jahre alt sind. Man kann viele Tiere darauf erkennen, unter anderem einen ein Kranich, der in Adelskreisen langes Leben und Fruchtbarkeit symbolisierte: dieser Raum war wohl zeitweise als Schlafzimmer der Fürstin in Gebrauch. Im Schreibsalon der Fürstin wiederum, die ihre Briefe ausschließlich auf französisch verfaßte, ist jede einzelne Blume händisch auf das Tapetenpapier aufgetragen.
Die Führung erstreckt sich für jenen Teil der Gäste, die die lange Tour gebucht haben, noch über das Arbeitszimmer und das Schlafzimmer der Ersten Kammerfrau hinauf in das Zwischengeschoss und das geheime Oratorium der Fürstin, wo sie ungeschminkt und ungesehen am Gottesdienst teilhaben konnte. Dort unten in der Schlosskapelle endet nach eineinhalb kurzweiligen Stunden die Führung, der gläserne Sarg mit den Gebeinen des Heiligen verleiht dem Raum etwas Morbides.
Hinabgestiegen in den Weinkeller mag man sich wünschen, er wäre noch Teil der Führung, denn wie soll man in den labyrinthischen Gewölben mit ihren riesigen Fässern und vor sich hin verstaubenden Flaschenstapeln, in denen edle Weine jahrzehntelang vor sich hin reifen, die Orientierung behalten?
Die Weinpresse soll die größte des gesamten Burgenlandes sein, und im Eichenfass gleich daneben fände eine ganze Familie Platz. Doch dann steht man, sich selbst im hintersten Winkel des Weinmuseums vermutend, urplötzlich wieder an jener Treppe, über die man eine halbe Stunde zuvor vom Schlosshof herabgestiegen ist.
Wohnhaus
Ach, hätte man doch noch etwas Zeit auf dem Parkticket, dann könnte man jetzt die paar Schritte hinüberlaufen, um auch noch Joseph Haydns Wohnhaus zu besichtigen. Man erreicht das Anwesen natürlich auch mit dem Auto, aber nur um den Preis einer kleinen Stadtbesichtigung, was ja in Eisenstadt durchaus kein Schaden ist. Und ob man überhaupt einen Parkplatz bekommt? Der Verfasser hat Glück.
Hier im Haydn-Haus also haben der Komponist und seine Ehefrau gewohnt. Bis auf die Küche, wo neben dem offenen Herd noch der eiserne Bratenwender steht, sind die Räume natürlich allesamt ausstellungsgerecht umgestaltet und zeigen so manches aus dem Leben des Komponisten, seinen Ehevertrag etwa oder das einzige bekannte Porträt ohne Perücke.
Fünf Räume hat die Wohnung, dazu kommen unten ein kleiner Stall und ein Kräutergarten, der jedoch außerhalb der Stadt liegt.
Sakralbau, Eisenstadt
Wallfahrtskirche. Barocker harmonischer Kirchenraum mit schönem Deckengemälde. Würdige und stimmungsvolle Begräbnisstätte Joseph Haydns.
Schloss, Eisenstadt
Leben und Wirken jener Fürstenfamilie, die über Jahrhunderte die Geschichte des pannonischen Raums im Herzen Europas mitprägte. Größtes Weinmuseum Österreichs. Der Komponist Joseph Haydn.
Museum, Eisenstadt
Ehemaliges Wohnhaus Haydns. Authentische Haydn-Portraits, Opernabschriften, Walter-Flügel, Haydn-Autographe, Kaiserlied, Orgeltisch aus der Bergkirche, Erstausgaben.
Museum, Eisenstadt
Bis 17.11.2024, Eisenstadt
Die Ausstellung ist nicht nur eine Hommage an diejenigen, die uns verlassen haben, sondern auch eine Aufforderung, über unsere eigenen Vorstellungen von Tod und Trauer nachzudenken.
Museum, Eisenstadt
Museum, Eisenstadt
Die Dauerausstellung zeigt zahlreiche „Schätze“ burgenländischer Geschichte, Kultur und Identität. uf drei Geschoßebenen wird mit den drei Themenbereichen Lebens-Bilder, LebensRäume, LebensSpuren versucht, den Besuchern ein Bild vom Land, seinen Traditionen, Menschen und Entwicklungen zu vermitteln.
Museum, St. Margarethen
Einer der ältesten und größten Steinbrüche Europas. Großartige Inszenierungen bekannter Opernwerke
Museum, Leithaprodersdorf
Bis 9.2.2025, Wien
Die Präsentation mit rund 100 Werken aus allen Schaffensphasen des Künstlers konentriert sich auf die lebendige Auseinandersetzung mit den ursprünglichsten und universellsten Themen des Lebens.