Gauri Gill
Acts of Resistance and Repair
Bis 8.1.23, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Frankfurt/Main
Abseits der urbanen Zentren Indiens erkundet die Fotografin Gauri Gill (*1970) seit über zwei Jahrzehnten das Leben und den Alltag der ländlichen Bevölkerung. Die Überblicksausstellungzum vielschichtigen fotografischen Schaffen der Künstlerin versammelt rund 240 Werke aus zentralen Serien.
Gills stille, konzentrierte Bilder richten den Blick auf kaum wahrgenommene Randbereiche der indischen Gesellschaft. In einem offenen, kollaborativen Prozess und entgegen dokumentarischen Konventionen widmet sich die Künstlerin Themen wie Überleben und Selbstbehauptung, Identität und Zugehörigkeit, aber auch konzeptuellen Fragen nach Erinnerung und Autorschaft. Die Dimension der Zeit und serielle Kontinuität sind ebenso wie Beharrlichkeit und Empathie entscheidende Faktoren ihrer künstlerischen Praxis, in der sie überkommene Narrative und Stereotype überwinden möchte. Im dialogischen Gebrauch der Kamera sowie im intensiven persönlichen Austausch über Klassen, Religionen und Generationen hinweg erforscht die Künstlerin dabei auf der Suche nach Vielstimmigkeit eine neue Form des „kollektiven Sehens”.
Fundament von Gills Arbeit und Ausgangspunkt mehrerer Fotoserien ist das archivarische Langzeitprojekt Notes from the Desert, in dem sie sich seit 1999 den marginalisierten Gemeinschaften Rajasthans im westindischen Grenzgebiet widmet. Hier wie in ihrem gesamten Werk bringt die Künstlerin insbesondere ihre freundschaftlichen Beziehungen zu Frauen in persönlichen Porträts zum Ausdruck. Als Gegenpol zu ihren Projekten in der Wüste widmet sich die Fotoserie „The Americans” (2000-2007) der vielfältigen Lebenswelt der indischen Diaspora in Hinblick auf Migration, Heimat und kulturelle Verbundenheit.
Die Ausstellung in der Schirn zeigt zudem Gills kollaborativen Ansatz, u.a. in der Zusammenarbeit mit Künstlern aus ländlichen Regionen. In ihrem jüngsten Werkkomplex „Acts of Appearance” (seit 2015) etwa bezieht sie Masken von Pappmaché-Künstlern der Kokna- und Warli-Gemeinschaften in Jawhar, Maharashtra in improvisierte Alltagsszenen ein und entwickelt so einen faszinierenden Dialog zwischen Wirklichkeit und Fiktion.