Beitrag v.
3.5.2022
Papagei zu „Im Szépművészeti Múzeum”,

Besuchsbericht

Im Szépművészeti Múzeum

Rainer Göttlinger
20. April 2022

Es ist windig und kühl, bei leichtem Nieselregen: Museumswetter! Vor den Kunstgenuss im Szépművészeti Múzeum (der schönen Künste) von Budapest haben die Götter jedoch zwei Schranken gesetzt: einen langen schmiedeeisernen Zaun und eine kaum minder lange Warteschlange am Durchlass. Dort drüben, wo die Gruppen eingelassen werden, sollte man stehen. Der Verfasser gibt sich als Korrespondent für museen.de zu erkennen, erntet aber nur Fingerzeige zurück in die Schlange. Erst als der Name der Dame fällt, die ihn vorab akkreditiert hat, erhellt sich schlagartig das Gesicht seines Gegenübers, und der Gast aus Deutschland wird mit ausgesuchter Freundlichkeit hinein gebeten, wo man ihn nicht nur mit einem Presseaufkleber ausstattet, sondern auch bittet, auf keinen Fall die Romanische Halle zu versäumen, auf die man hier offenbar besonders stolz ist.

Und das zu recht, denn die ohnehin schon eindrucksvolle Haupthalle erfährt im historischen Anbau zur Linken nochmals eine innenarchitektonische Steigerung. Man mag heute kaum glauben, dass dieser Museumsteil wegen des kriegszerstörten Daches jahrzehntelang vor sich hin verfiel, als notdürftig geflicktes und vor der Öffentlichkeit verborgenes Depot für in Ungnade gefallene Gipsabgüsse. Und jetzt? Säulenkapitelle, romanische Strebebögen mit fein ausgearbeiteter Ornamentik, und über allem ein paradiesisch anmutender Bilderreigen mit Apfelbäumen, Pfauen, Sternen und spruchbandtragenden Flügelwesen mit Heiligenschein. Zurückblickend auf den Eingang fällt ein romanisches Kirchenportal mit Skulpturen und Rundbögen auf, wie es auch heute noch die großen europäischen Kathedralen schmückt. Man könnte bei alledem glatt darauf vergessen, auch auf den Fußboden zu achten, was aber ein Fehler wäre.

Alte Meister

Die Michelangelo-Halle ist heute leider geschlossen. Halb so schlimm, denn die Galerien im oberen Stockwerk, das man über ein Marmortreppenhaus mit schöner floraler Deckengestaltung erreicht, beeindrucken durch eine Fülle von Kunstwerken aus allen Stilepochen, die jedoch alle eines gemeinsam haben: man erkennt die zugehörigen Künstler, wenn überhaupt, erst beim Blick auf das jeweilige Täfelchen, mit nur wenigen Ausnahmen. Ein Cranach ist eben ein Cranach. Aber schon im Saal nebenan meldet sich nagender Zweifel: von Dürer soll das sein? „Tulajdonítva” heißt „zugeschrieben“, und der Stil könnte hinkommen, aber wo ist dann das berühmte Logo des Meisters? Sei's drum, der wirklich eindrucksvolle chronologische Rundgang durch jenen Teil der europäische Kunstgeschichte, der hinter dem Eisernen Vorhang jahrzehntelang ein eher verborgenes Dasein führte, bringt einen irgendwann wieder hinaus in die Mittelhalle, und der Westflügel genau gegenüber hat im Übersichtsplan zwar eine Nummer, ist aber ausgegraut. Kann es sein, dass dieser Teil noch nicht wieder eröffnet ist?

Mitnichten! Den schon etwas ermüdeten Augen steht sogleich noch ein zweiter, nicht minder ausgiebiger Gang durch die Kunstgeschichte des 17. und des 18. Jahrhunderts ins Haus, mit schönen Landschafts- und Blumengemälden und anmutigen, jedoch meist züchtig bedeckten jungen Damen in paradiesischen, auf jeden Fall aber idealisierten Lebenswelten. Und ganz oben in der zweiten und dritten Etage warten ja auch noch die europäische Skulptur mit schönem Holzschnitzwerk sowie unterm Dach die altehrwürdige ungarische Kunst. Und ob das alles noch nicht genügte, gibt es im Untergeschoss eine nicht gerade kleine altägyptische und eine klassisch-griechische Sammlung mit allem, was dazugehört: Mumien und mumifizierte Tiere, Vasen rot- und schwarzgrundig, Marmorstatuen, denen die Jahrtausende sichtbar zugesetzt haben, römische Mosaike und vieles mehr.

Ägypten und Antike

Der Eingang zur ägyptischen Sammlung befindet sich ganz unten, gleich hinter den Schließfächern. Aha, deshalb also die Ticketkontrolle an der Treppe. Ein ähnliches Prinzip waltet auch dort, wo die laufende Sonderausstellung gerade viel Zuspruch erfährt: kontrolliert hinein und vor den Kassen wieder heraus. Nach der dritten oder vierten Runde, man will ja auch ins Café, sich stärken, avanciert der Ticketabreißer am Eingang der Mittelhalle allmählich zum guten Be­kannten.

Der bereits etwas ermattete Verfasser will noch einen letzten Blick auf die riesige Videowand in der Halle werfen, wo zu nahezu allen Kunstschätzen des Hauses durch Antippen Informationen abgerufen werden können. Auch zum Bild mit dem Kakadu. Kakadu? Wo wäre der denn gewesen? Ganz oben im allerobersten Stockwerk, verrät die Medienwand in technisch-nüchterner Unschuld. Noch ein zweites Mal quer durchs Museum und dann hinauf? Sei's drum, der Kakadu muss sein.

Aber wo genau hängt nun das Papageibild? Die Saalaufsicht schüttelt auf die Frage, ob sie des Deutschen mächtig sei, bedauernd den Kopf. Englisch? Auch nicht. Vielleicht der Kollege an der anderen Tür? A little bit. Aber auch er scheint nicht zu verstehen, welches Kunstwerk der nach dem Parrot fragende Gast zu sehen begehrt. The bird? Aha, nun fällt der Forint, und auch der Verfasser hat soeben etwas gelernt: das Gesuchte heißt auf ungarisch nämlich „Papagaj”. Wie einfach doch die Welt manchmal wäre, fiele man ohne langes Herumtasten direkt mit der Tür ins Haus.

Tipps

Wer das wirklich sehenswerte Szépművészeti Múzeum besuchen will, dem seien abschließend noch drei Tipps mit auf den Weg gegeben. Erstens: das Ticket im voraus buchen. Zweitens: für die Anreise unbedingt die Metro M1 nehmen, denn die ist selber ein Museumsstück und kostet pro Person weniger als einen Euro. Die Station heißt „Hősök tere” (Heldenplatz). Drittens: rechts neben dem Museum (also links, wenn man es wieder verläßt) befindet sich das berühmte Café Patisserie Gundel, das sich den Charme der Jahrhundertwende bewahrt hat, was vor allem am Ambiente und insbesondere aber an der Livemusik liegt: beim Klang von Otschi tschornyje, Hernandos Hideaway oder dem Shostakovich-Walzer Nr. 2 munden Capucchino und Eiskaffee natürlich gleich nochmal so gut.

POI

Museum, Budapest

Szép­művés­zeti Múzeum

Eines der schön­sten und wegen der großen Anzahl von Meister­werken auch wich­tig­sten Museen in Europa. Ägyp­tische Samm­lung, Antiken­sammlung, Galerie Alter Meister, Skulp­turen, Alt­ungarische und Gra­fische Samm­lung.

Museum, Budapest

Franz Liszt Museum

Der unga­ri­sche Musiker, Kompo­nist, Dirigent, Pädagoge und Musik­schrift­steller Franz Liszt trug zeit­lebens selbst­los und äußerst wirkungs­voll zur Ent­wick­lung der musika­lischen Kultur Europas bei.

Schloss, Gödöllö

Königliches Schloss Gödöllö

Eines der größten Barock­schlösser Ungarns, erbaut vom Grafen Antal Grassal­kovich und während der K. und K. Monarchie geliebter Aufent­halts- und Erholungs­ort der öster­reichi­schen Kaiserin und unga­rischen Königin Elisa­beth (Sisi).

Bis 8.9.2024, Wien

Broncia Koller-Pinell

Das Belve­dere widmet der Malerin eine Schau mit mehr als 80 Werken, die auch erstmals ihr kultu­relles Netz­werk be­leuchtet.

Bis 26.1.2025, Wien

Auf dem Rücken der Kamele

Der thema­tische Bogen in der Aus­stellung spannt sich von den Urkamelen Nord­amerikas über deren Domesti­kation und weltweite Ver­breitung bis zur Haltung von Kameliden als nahezu univer­selle Nutztiere.

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R.I.P.

Die Aus­stel­lung ist nicht nur eine Hom­mage an die­jenigen, die uns verlassen haben, sondern auch eine Auf­forde­rung, über unsere eigenen Vor­stellungen von Tod und Trauer nach­zu­denken.

Bis 23.3.2025, Wien

Schau! Samm­lung Belve­dere

Im Zentrum des chrono­logischen Rund­gangs stehen rund zehn Künstler­porträts, anhand derer die jeweiligen Produktions­bedingungen und Verände­rungen einer Epoche ver­deutlicht werden.

Bis 9.9.2024, Wien

Über Touris­mus

Touris­mus hat Wert­schöpfung, Wohl­stand und Welt­offen­heit auch in die ent­legen­sten Gegenden gebracht. Dem gegen­über stehen negative Effekte: touri­stische Hotspots leiden unter dem Ansturm der Besucher.

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Rainer Göttlinger
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