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15.10.2020
Werkbank mit Geigen zu „Metropole des Saiteninstrumentenbaus”,
In Memoriam zu „Metropole des Saiteninstrumentenbaus”,
Helmut Glaßl, In Memoriam des Egerlandes
Leiterwagen zu „Metropole des Saiteninstrumentenbaus”,
Ausweisung zu „Metropole des Saiteninstrumentenbaus”,
Kriegsgeige zu „Metropole des Saiteninstrumentenbaus”,
Kriegsgeige des Kriegsgefangenen Andreas Hoyer
Framus-Werk, Luftbild zu „Metropole des Saiteninstrumentenbaus”,
Kolophonium zu „Metropole des Saiteninstrumentenbaus”,
Autogramm Paul McCartney zu „Metropole des Saiteninstrumentenbaus”,

Besuchsbericht

Metropole des Saiteninstrumentenbaus

Beatles, Stones und Elvis spielten auf Instrumenten aus Bubenreuth

Rainer Göttlinger
Herausgeber/Autor

Eines der faszinierendsten Museen, das der Autor je besucht hat, muß leider seit Jahren mit einem räumlichen Provisorium auskommen, das in auffälligem Mißverhältnis zur weltmarktführenden Bedeutung des Bubenreuther Instrumentenbaus steht.

Allein schon die ergreifende Geschichte der heimatvertriebenen Geigenbauer aus dem böhmischen Musikwinkel, heute ein Teil Tschechiens, wäre es wert, raumgreifend erzählt und visualisiert zu werden, darf sie doch als Beispiel für eine Neuansiedlung und Integration gelten, die beiden Seiten viel abforderte und aber dennoch so vorbildlich gelang, daß wir Nachgeborenen heute nur staunen können.

Wir befinden uns im Untergeschoß des einstigen Verwaltungsgebäudes der Firma Framus. Der weltbekannte Name steht für „Fränkische Musikinstrumentenerzeugung Fred A. Wilfer KG”, ihr Gründer wurde 1917 noch in der Nähe der Musikstadt Schönbach geboren. Die Framus avancierte in nur zwei Jahrzehnten zur größten Gitarrenfabrik Europas. Nur wenig später folgte ein überraschender Konkurs, Gerüchte sprechen von fernöstlicher Industriespionage.

Das einstige Verwaltungsgebäude dient heute als Rathaus, eine schmale Treppe führt hinab ins Untergeschoss, wo sich geradezu eine Welt auftut. Nicht nur für Musiker.

Derzeit noch ein Provisorium

Das merkt der Besucher aber erst auf den zweiten Blick. Denn natürlich sind die beiden Kellerräume viel zu klein für all die prächtigen Stücke, von denen gleichwohl jedes einzelne vollkommen unverzichtbar ist, haben sie doch allesamt musikalisch Weltgeschichte geschrieben.

Da ist zum Beispiel die Bassgitarre Höfner H500/1, die Paul McCartney beim Auftritt der legendären Beatles spielte und auch heute noch in Ehren hält. Das Bubenreuther Exemplar ist handsigniert: „All the best” schrieb der Ex-Beatle als Gruß auf das perlmuttschimmernde Griffbrett. Auch sein nicht minder bekannter Bandkollege John Lennon wußte die böhmisch-fränkische Wertarbeit zu schätzen und spielte neben einer „Höfner Club 40” auch eine „Framus-Hootenanny”. Und sie waren nicht die einzigen Popgrößen: Stones-Bassist Bill Wyman, der „deutsche Elvis” Peter Kraus und natürlich der King of Rock'n Roll schwörten auf Instrumente der Bubenreuther Firmen Framus, Höfner und Klira.

Abschied vom Egerland

Aber die Geschichte der Schönbacher Geigenbauer will von Anfang an erzählt werden, und so ist die Ausstellung ja auch aufgebaut: chronologisch. 50 Kilogramm Gepäck durfte jeder der Vertriebenen mitnehmen aus seiner alten Heimat. Die namentlich beschrifteten Koffer und der Leiterwagen stehen ganz vorne, gleich neben der Tür, der originale Ausweisungsbefehl ist in tschechischer Sprache verfaßt, allein die Namen der Ausgewiesenen sind deutsch.

Wie schwer den Menschen der Abschied von ihrer geliebten Heimat gefallen sein muß, spricht aus einem Ölbild des Malers Helmut Glaßl. Ein brennendes Haus ist da zu sehen, ein umgestürztes Wegkreuz und ein Stein mit der Aufschrift „in memoriam des Egerlandes”. Denn der „Musikwinkel”, ein über die Landesgrenzen hinweg reichender Wirtschaftsraum, wurde als Folge des Zweiten Weltkriegs durch die Vertreibung der deutschsprachigen Schönbacher und Graslitzer Bevölkerung, allesamt Geigenbauer oder Zulieferer, von den Siegern willentlich zerstört.

Wie sollte man nur fern der Heimat den arbeitsteiligen Instrumentenbau weiterführen, wenn jeder der Spezialisten für Decken und Zargen, Hälse, Griffbretter, Wirbel, Stege, Saiten, Bögen und Lacke und nicht zu vergessen die Händler mit ihren weltweiten Absatzmärkten, wenn jeder von ihnen irgendwo zwar ein neues Zuhause fände, man die Komponenten aber nicht mehr wie bisher von Haus zu Haus würde weiterreichen können?

Und so beschlossen die Schönbacher Instrumentenbauer, sich gemeinsam an einem Ort anzusiedeln. Einem, der aus Tradition für Vertriebene aufgeschlossen war wie die Hugenottenstadt Erlangen, oder wo der Geigenbau bereits seit Generationen zuhause war wie im Ferienort Mittenwald. Aber weder die einen noch die anderen waren von der Idee sonderlich angetan. Ganz anders die kleine fränkische Gemeinde Bubenreuth: hier durften sie bleiben, ihre Häuser bauen und ihr Gewerbe weiter ausüben.

Gelungene Integration

Wie sehr die 500 gestandenen Franken und die 2000 Neuankömmlinge sich gegenseitig wertschätzten, ist noch heute am neu konzipierten Bubenreuther Wappen abzulesen: es zeigt links oben eine Geige und rechts unten einen Ackerpflug. Das archaische Gerät einer bäuerlichen Minderheit als Symbol einer modernen und zukunftsorientierten Kommune? Unbedingt, denn sie waren es, die uns damals aufgenommen haben, entschieden die an Kopfzahl weit überlegenen ehemaligen Schönbacher.

Nachdem sie schon bald erfolgreich an die Vorkriegsproduktion hatten anknüpfen können, schlug den Neu-Bubenreuthern ihre große Stunde in den 1950er Jahren mit dem einsetzenden Gitarren- und E-Gitarren-Boom. Es entstanden mehrere Gitarrenfabriken, die pro Jahr rund eine halbe Million Instrumente fertigten.

Der Erfolg kam mit den Beatles

Vor allem die bekannteste Band ever war es, die den Bubenreuther Instrumenten zu Berühmtheit verhalf: die Beatles. Denn Pilzkopf McCartney schätzte die violinförmige H500/1 nicht nur wegen ihrer achsensymmetrischen Bauweise, die dem Linkshänder sehr entgegen kam. Das Instrument war zudem dank seines aus dem Geigenbau entlehnten Konstruktionsprinzips auch ungewöhnlich leicht.

Mit zunehmender Popularität der Beatles kletterten auch die Produktionszahlen des „Beatle-Bass” in ungeahnte Höhen, so daß die Firma mit der Produktion kaum noch hinterher kam.

Wie kam es zu diesem Welterfolg? War es die Expertise im Geigenbau? Natürlich ist im Museum auch eine traditionelle Geigenbau-Werkstatt aufgebaut. Mit welcher Kunstfertigkeit man in Bubenreuth zu Werke ging, zeigen hier unter anderem die kunstvoll-filigran ausgeführten Schnecken, wie man das obere Ende des Geigenhalses nennt. Der Besucher erfährt zudem, daß eine Geige aus unterschiedlichen Hölzern besteht: Fichte für die Decke, Ahorn für den Boden. Und daß ein Block Ebenholz, unverzichtbar für das Griffbrett, schwerer ist als er aussieht.

Mitbegründer des Geigenbaumuseums ist der in Schönbach geborene Gerold Karl Hannabach, seines Zeichens Gitarrenbaumeister, Fachlehrer, 2. Obermeister der Innung, Sachverständiger und international gefragter Dozent. Ihm lag viel daran, das kulturelle Erbe Schönbachs und Bubenreuths nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. 2002 wurde ihm, der in seinem Leben mehr als 4.000 Instrumente gebaut hatte, das Verdienstkreuz am Bande verliehen.

Tradition hier, Experimentierfreude dort: die gesammelten Stücke halten so manche weitere Überraschung bereit. Eine E-Gitarre mit eingebautem Verstärker? Praktisch, aber im Spielbetrieb viel zu schwer. Eine Reisegitarre mit klappbarem Hals? Zum Welterfolg brachte sie sie nicht. Und auch die Gitarren mit Kunstlederbezug muten heute befremdlich an.

Gerne wirft man aber noch einen Blick auf die Schälchen mit diversen Lack-Grundstoffen oder auf den Apparat zum Umwickeln von Saiten, bestaunt noch einmal die kleinste spielbare Geige der Welt oder das Schächtelchen mit dem weltweit kleinsten Streichquartett. Samt Bögen.

Die „Kriegsgeige”

Im Hinausgehen fällt der Blick auf eine unscheinbare Geige, die offenbar keinerlei Besonderheiten aufweist. Genau das ist aber auch das Besondere an ihr, denn das edle Instrument entstand nicht etwa in einer Werkstatt, sondern unter widrigsten Umständen im Kriegsgefangenenlager Glasenbach, wo der Geigenbauer Andreas Hoyer eine Militärbaracke niederreißen mußte und dabei einige gut ausgetrocknete Ahorn- und Fichtenbretter fand. Aus Brennholz suchte er sich Material für die restlichen Teile zusammen und schuf im Laufe eines Jahres mit primitivstem Werkzeug ein Instrument, für das er schließlich sogar Farbe und Lack besorgen konnte, um es spielfertig zu machen.

Dieses besondere Instrument ist heute einer der „hundert Heimatschätze”, die das Bayerische Heimatministerium 2018 im Rahmen eines Wettbewerbs ausgelobt hatte.

POI

Museum, Bubenreuth

Geigen­bau-Museum

Aus­stel­lung „Vision Buben­reu­theum” als erster wich­tiger Schritt auf dem Weg hin zu einem ech­ten Geigen­bau-Museum in Buben­reuth.

Museum, Mittenwald

Geigenbau­museum

Geigen­bau in Mitten­wald, Orts- und Heimat­ge­schichte. Zither von Ignaz Simon.

Museum, Markneukirchen

Musik­instru­menten-Museum

Musik­instru­mente aus aller Welt, Ge­schich­te des vogt­län­di­schen Musik­instru­menten­baus.

Verantw. gem. §55 Abs 2 RStV:
Rainer Göttlinger
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