Ausstellung 23.10.22 bis 05.02.23

Kunstmuseum Spendhaus Reutlingen

Mit Blick auf Adolf Hölzel

Figur und Abstraktion

Reutlingen, Städtisches Kunstmuseum Spendhaus: Hölzels Werke zeichnen sich durch eine beson­dere Farbigkeit aus und basieren auf Kompo­sitions­schemata, die aufgrund ihrer allge­meinen Bedeutung auch für die moderne Kunst nach dem Kriegsende 1945 wichtig sind.

Als Maler, Zeichner und Kunsttheoretiker hat sich Adolf Hölzel (1853-1934) mit künstlerischen Prozessen auseinandergesetzt. Er war von 1905 bis 1919 an der Stuttgarter Kunstakademie tätig und hat nicht nur hier zahlreiche Schüler und Künstler beeinflusst. Seine Lehre der bildnerischen Mittel und der Farbtheorie, die besondere Beachtung der im Kunstwerk liegenden elementaren Kräfte, waren für die Entwicklung der Moderne in Deutschland von Bedeutung.

Als Adolf Hölzel im November 1905 an die Königliche Akademie der bildenden Künste in Stuttgart berufen wurde, war das Professorenkollegium überzeugt, einen Dachauer Künstler gewonnen zu haben, der die tonige Malerei des 19. Jahrhunderts lehrt. Tatsächlich aber hatte Hölzel bereits zu diesem Zeitpunkt einen folgenreichen Schritt getan, der jenseits der naturalistischen Malerei eine zunehmende Abstraktion vom Gegenstand beinhaltete. In den folgenden Jahren versammelte Hölzel Schülerinnen und Schüler um sich, die in seiner Komponierklasse eine eigenständige Handschrift entwickeln konnten, geführt von seiner Lehre der bildnerischen Mittel.

Willi Baumeister (1889-1955), der ab 1946 wiederum als Professor an der Stuttgarter Akademie lehrte, fasste den Unterricht als auch die angefeindete Position Hölzels an der Kunstakademie pointiert zusammen: „Ein für die damalige Kunstakademie ganz seltener Fall trat ein: ein Pro­fessor entwickelte sich künstlerisch weiter. Er ging kühne Schritte vor­wärts. Alle Kunstbeamten und seine Professorenkollegen, besonders die Schlachtenmaler, muß ein Grauen erfaßt haben angesichts einer solchen gefährlichen Wandlung. Mit solcher Malerei wäre Hölzel niemals Professor geworden; aber er wurde der Exponent der Moderne für weitere Gebiete. Er hatte den Blick für das Künstlerische durch das Nichtakade­mische. Was ihm an revolutionären Kunsterzeugnissen bekannt wurde, griff er auf, er zeigte es seinen Schülern und untersuchte es auf Farbakkorde und verdeckte Konstruktionslinien. Die Grenzen der Kunst wurden durchbrochen, weite, freie Formen taten sich auf, jedoch ging es inner­halb Hölzels eigentlicher Lehre sehr maßvoll zu; nach Regeln mit Diago­nalen, Quadraten, Kreisen und dem Goldenen Schnitt.“ (Willi Baumeister, in: Der Tagesspiegel, Berlin, 26. Januar 1949)

Die Ausstellung greift auf den Sammlungsbestand des Kunstmuseum Reutlingen zurück. In die Sammlung eingebettet liegt eine Dauerleihgabe, die 2008 dem Museum übergeben wurde. Hölzels elf Werke auf Papier aus dieser Sammlung bilden die Basis der Ausstellung, um zwei Entwicklungslinien der Kunstgeschichte nachzuzeichnen, die von der auf die Figur basierenden gegenständlichen Kunst über die Abstraktion zur ungegenständlichen Kunst führen.

Eine dieser Entwicklungslinien zeigt mit Werken von Hölzels Schülerinnen und Schülern – Willi Baumeister, Adolf Fleischmann, Gottfried Graf, Ida Kerkovius und William Straube – eine Moderne, die sich vom schwäbischen Raum ausgehend entfaltete. Einzelne Schüler Hölzels formierten sich darüber hinaus zu der Künstlergruppe Üecht, die nach dem Ersten Weltkrieg von der Novemberrevolution 1918 beflügelt eine neue Kunst auf der Basis gesellschaftlicher Neuorientierungen suchte.

Die andere Entwicklungslinie nimmt ihren Ausgangspunkt von Münchner Künstlern, die den Almanach „Der Blaue Reiter” herausbrachten und führt über das Staatliche Bauhaus zu individuellen künstlerischen Positionen, die in einer ungegenständlichen Kunst kulminieren. Die hier aus der Sammlung des Kunstmuseums mit Blick auf Hölzel ausgewählten Künstler sind Josef Albers, Julius Bissier, Ernst Wilhelm Nay und Wassily Kandinsky.

Adolf Hölzel beendete im März 1919 seine Lehrtätigkeit an der Akademie, blieb aber bis zu seinem Tod 1934 in Stuttgart. Sein Werk geriet unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit, und seine theoretischen Schriften wurden mitunter von denjenigen Wassily Kandinskys ab 1911 überstrahlt, obschon einzelne für die Moderne maßgebliche Ansätze in der Publikation Hölzels Über Formen und Massenvertheilung im Bilde bereits 1901 ausgesprochen wurden.

Hölzels Werke zeichnen sich durch eine besondere Farbigkeit aus und basieren auf Kompositionsschemata, die aufgrund ihrer allgemeinen Bedeutung auch für die moderne Kunst nach dem Kriegsende 1945 wichtig sind.

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