Beitrag v.
8.10.2021
Schneede, Paula Modersohn-Becker zu „Uwe M. Schneede: Paula Modersohn-Becker”,

Besuchsbericht

Uwe M. Schneede: Paula Modersohn-Becker

Die Malerin, die in die Moderne aufbrach. C.H. Beck, 2021

Rainer Göttlinger
6. Oktober 2021

Der Autor Uwe M. Schneede, von 1991 bis 2006 Direktor der Hamburger Kunsthalle und profunder Kenner von Paula Modersohn-Beckers Werk, legt mit seinem kürzlich im C.H. Beck Verlag erschienenen Buch „Paula Modersohn-Becker – Die Malerin, die in die Moderne aufbrach” eine umfassende Monographie über die zeitlebens rastlose und mit nur 31 Jahren viel zu jung verstorbene Malerin vor.

Aus dem Vorwort

Paula Modersohn-Beckers künstlerischer Dreh- und Angelpunkt war die damalige Weltstadt der Kunst, Paris.

1906 floh sie in der Absicht, dauerhaft zu bleiben, der provinziellen Enge norddeutschen Künstlerkolonie Worpswede und suchte, auf sich allein gestellt, mit seltenem Mut in ertrotzter Unabhängigkeit ihren eigenen Weg. Zu jener Zeit war niemand auf ihre Arbeiten vorbereitet und kaum jemand willens, sich auf sie einzulassen.

Zwar schätzte sie in Worpswede die Stille zum Arbeiten, und sie bezog auch die Motive und die Tiefe ihrer Farben aus dieser herben Gegend, aber sowohl die Bildkonzeption als auch die Bildsprache verdankten sich Anstößen verschiedenster Kulturen in Pariser Museen sowie in aktuellen Ausstellungen, auch in Ateliers namhafter Kollegen.

Ende März 1907 kehrte die schwangere Paula Modersohn-Becker mit ihrem Ehemann zurück nach Worpswede. Was sie dort suchte, war „Stille für die Arbeit”, und die, meinte sie nun, werde sie auf die Dauer an der Seite von Otto Modersohn am ehesten finden, mit der Einschränkung: „Wenn man nur gesund bleibt, u. nicht zu früh stirbt.”

Am 2. November 1907 brachte sie, die sich auch als Hochschwangere gemalt hatte, nach einer schwierigen Geburt ihre Tochter Mathilde („Tille”) zur Welt. Der Arzt verordnete ihr Bettruhe. Am 20. November durfte sie erstmals aufstehen, worauf eine Embolie einsetzte, an der sie im Alter von 31 Jahren verstarb. „Wie schade!”, so überlieferte Otto Modersohn, seien ihre letzten Worte gewesen.

Das Werk von Paula Modersohn-Becker umfasst Porträts, Kinderbildnisse, die Darstellung der bäuerlichen Lebenswelt in Worpswede, Landschaften, Stillleben, Porträts und Selbstporträts. Letztere begleiteten sie während ihrer gesamten Schaffensperiode.

Die 240 Seiten umfassende, reich illustrierte Monographie ist annähernd chronologisch aufgebaut und in die Abschnitte „Im Schutz der Künstlerprovinz 1896-1899”, „Paris 1900 – die symbolische Reise ins neue Jahrhundert”, „Die Fremdheit des Vertrauten 1901-1905”, „In der Welt der Kunst. «Ich glaube es wird» 1906”, „Die Selbstbildnisse: Ich als eine Andere 1897-1907”, „Die Hauptwerke aus dem Pariser Atelier: Eine Welt für sich 1906/07” und „«Das Mächtige der Farbe». Die letzten Werke 1907” gegliedert.

Besonders angesprochen fühlte sie, die dank der Unterstützung ihres Onkels bereits in London Kunstunterricht erhalten und auch bereits Bilder des Worpsweder Künstlerkreises um Otto Modersohn, Fritz Mackensen, Fritz Overbeck, Hans am Ende und Heinrich Vogeler gesehen hatte, sich von die eigenartig getönten Farben und die Art und Weise, mit der ihr späterer Mann Otto Modersohn in einem seiner Werke die Stimmung in der Heide einfing.

Im Laufe ihrer künstlerischen Entwicklung erprobte Paula Modersohn-Becker unausgesetzt die vielen stilistischen Mittel ihrer Zeit. Ihr motivischer Ausgangspunkt war und blieb das stille Worpswede, ihr künstlerisches Zuhause aber wurde und war das „gährende” Paris.

Uwe M. Schneede, Paula Modersohn-Becker, ISBN 3406760457, EAN 9783406760457, erschienen am 16. September 2021 im Verlag C.H. Beck, gebunden, 240 Seiten, zum Preis von 29,95€.

Noch bis 6.2.2022: Retrospektive in der Schirn

Es mag Zufall sein oder das Resultat geschickter Terminierung, dass just in diesen Tagen eine umfassende Retrospektive 116 Hauptwerke Paula Modersohn-Beckers aus allen Schaffensphasen an einem Ort vereint, der als eines der renommiertesten Ausstellungshäuser Deutschlands gilt: die Schirn Kunsthalle Frankfurt – über 140 Meter lang, aber nur 10 Meter schmal und ebenso hoch.

Im Umkehrschluss bedeutet die temporäre Präsenz der Hauptwerke in der Schirn natürlich leere Wände an all den anderen Museen, die normalerweise damit aufwarten können. In vorderster Front seien hier das Paula Modersohn-Becker-Museum in Bremen genannt, die Kunsthalle Bremen, das Niedersächsische Landesmuseum Hannover, das Von-der-Heydt-Museum in Wuppertal, das Museum Ostwall im Dortmunder U, die Dresdner Galerie Neue Meister und noch viele weitere.

POI

Museum, Bremen

Paula Moder­sohn-Becker Museum

1926/27 von Bern­hard Hoet­ger (Bild­hauer, Maler, Architekt, 1874-1949) für die Kunst­werke von Paula Moder­sohn-Becker (1876-1907) er­bau­tes Haus. Ge­mälde, Hand­zeich­nun­gen und Radie­run­gen der Künst­lerin.

Museum, Bremen

Kunst­halle Bremen

Deut­sche und fran­zö­si­sche Malerei des 14 bis 19. Jahr­hun­derts, Lieber­mann, Corinth, Beck­mann, Paula Moder­sohn-Becker, Worps­wede, Gegenwarts- und Medien­kunst. Kupfer­stich­kabinett.

Museum, Dortmund

Museum Ost­wall Dort­mund

Moderne und zeitgenössische Kunst im Bereich des Expressionismus, des Fluxus, des Nouveau Réalisme und der Konkreten Poesie.

Museum, Hannover

Landes­museum Han­nover

Schau­samm­lun­gen aller Ab­tei­lun­gen: Landes­galerie, Natur­kunde, Ur­ge­schichte und Völker­kunde.

Museum, Wuppertal

Von der Heydt Museum

Kunst vom 16. Jahr­hun­dert bis in die Gegen­wart. Im­pres­sio­nis­mus, Ex­pres­sio­nis­mus und die zwan­ziger Jahre. Welt­be­kannte Werke von Claude Monet, Franz Marc, Ernst Ludwig Kirchner und Otto Dix, Pablo Picasso, Francis Bacon u.a.

Bis 6.2.2022, Frankfurt/Main

Paula Modersohn-Becker

Ihre Werke entstanden in oft einsamer Auseinandersetzung mit der älteren Kunstgeschichte und aktuellen Tendenzen der Kunst, die sie Paris studierte. Präsentiert wird ein aktueller Blick auf das Werk dieser frühen Vertreterin der Avantgarde.

Museum, Bremen

Ludwig Rose­lius Museum

Alt­bre­mer Patri­zier­haus, das mit seinen Grund­mauern wohl ins 14. Jahr­hun­dert zu­rück­geht. 1902 von Lud­wig Rose­lius er­wor­ben und 1928 als Mu­seum für seine Kunst­samm­lung er­öffnet. Wohn­kultur, Möbel, Teppi­che und Kunst­hand­werk.

Verantw. gem. §55 Abs 2 RStV:
Rainer Göttlinger
Pressemitteilungen willkommen
#10263 © Webmuseen Verlag