Beitrag v.
25.4.2023
Faun aus Pompeji zu „Vulkane”,
Replik einer Figur, die Pompejireisende im 19. Jahrhundert detailgetreu nach antiken Vorbildern entwarfen.
Foto: Rainer Göttlinger
Wegeners Karte zu „Vulkane”,
Von Alfred Wegener im Jahr 1921 eigenhändig gefertigte Karte zur Kontinentaldrift.
Sextant zu „Vulkane”,
Sextant Alexander von Humboldts, hergestellt vom britischen Optiker Jesse Ramsden, London, Ende 18. Jahrhundert
Leihgeber: Observatoire astronomique de Strasbourg
Satsuma-Schüsselchen zu „Vulkane”,
Schüsselchen im Satsuma-Stil, Porzellan mit Bemalung in Emailfarben und Gold auf der Glasur, um 1880, Japan
Leihgeber: KHM-Museumsverband, Weltmuseum Wien
Huehueteotl Stein zu „Vulkane”,
Huehueteotl Stein, 14-16. Jh., Azteken, Mexiko
Leihgeber: KHM-Museumsverband, Weltmuseum Wien
Kelimutu und Merapi zu „Vulkane”,
Brotkrustenbombe zu „Vulkane”,
Szene aus Pompeji zu „Vulkane”,

Besuchsbericht

Vulkane

Die phantastische Welt der Feuerberge

Rainer Göttlinger
23. April 2023

Gefragt, welche Vulkane man denn so kenne, kämen wohl jedem von uns sogleich der Vesuv, der Fujiyama oder dieser unaussprechliche – wie hieß der doch gleich nochmal? – egal, der isländische Vulkan, der vor ein paar Jahren den gesamten europäischen Luftverkehr lahmlegte, in den Sinn. Und der eine oder andere mag vielleicht auch noch den Ätna, den Stromboli oder gar den Popocatépetl aus seinem Gehirn­kasten kramen.

Die Ausstellung, die seit kurzem im Rosenheimer Lokschuppen gezeigt wird, vermag noch viele weitere bedeutende Vulkane nicht nur zu benennen, sondern auch auf angenehme und unterhaltsame Weise in Wort und Bild zu setzen: ihre Erforschung, die Ausbrüche, die damit verbundene Mythologie, die wirtschaftliche Bedeutung für die Region.

Man braucht dazu lediglich der Spur der Lava zu folgen, die sich als animiertes rotes Band durch die Ausstellungsräume schlän­gelt.

Vulkanologie

Gleich zum Anfang treten uns einige bekannte Forscher entgegen. Denn in vergangenen Zeiten lockten feuerspeiende Berge immer wieder Expeditionsreisende an den Rand ihrer Krater, den berühmten Alexander von Humboldt etwa. Vulkane und ihre Rolle bei der Entstehung der Erdkruste haben in seiner Arbeit nämlich besonderes Gewicht. In Südamerika bestieg er zu Forschungszwecken den 6.263 Meter Chimborazo, kam aber nicht bis zum Gipfel. Auch bei diesem Berg handelt es sich um einen Vulkan, sein letzter Ausbruch liegt rund 1.500 Jahre Jahre zurück.

Das antike Pompeji fasziniert Reisende schon seit der Renaissance. Als Geburtsstunde der Vulkanologie gelten zwei Briefe von Plinius dem Jüngeren an seinen Freund Tacitus mit der ältesten erhaltenen Beschreibung einer Eruption, nämlich des Vesuv-Ausbruchs im Jahr 79 n. Chr. Darin schildert er, wie seine Mutter und ihr Bruder, Plinius der Ältere, am 24. Oktober nachmittags eine unheilvolle Wolke über dem Vulkan bemerken. Per Segelboot eilte der Onkel zum Unglücksort – und kam dort ums Leben.

Zu Alfred Wegeners Leistungen zählt, neben der ersten Überwinterung auf dem grönländischen Inlandeis, die Theorie der Kontinentalverschiebung und Plattentektonik. Seine im Jahr 1921 eigenhändig angefertigte Karte mit den Umrissen der Kontinente ist in einer Vitrine zu sehen. Seine Theorie wurde erst lange nach seinem Tod ak­zep­tiert.

Gefahren durch Vulkane

Der Ätna auf Sizilien liegt in einer Zone hoher vulkanischer Aktivität, verursacht durch das Abtauchen der afrikanischen Kontinentalplatte unter die europäische. In den Sagen der Antike hat dort der Gott Vulcanus (griechisch: Hephaistos) seine Schmiede.

Die meisten Vulkane der Erde finden sich entlang des pazifischen Feuerrings, so nennt man den Rand der pazifischen Kontinentalplatte. Ein gefährlicher Vulkan auf der Insel Java ist der Merapi („Feuerberg”), die Javaner erbringen noch heute Opfergaben zu seiner Be­sänf­ti­gung.

Der Popocatépetl („Rauchender Berg”) ist Mexikos aktivster Vulkan und liegt neben dem ruhenden Vulkan Iztaccihuatl („Schlafende Frau"). Eine Legende sieht den Ursprung der beiden Vulkane in der unglücklichen Liebesgeschichte zwischen dem Krieger Popoca und Prinzessin Iztaccíhuatl, die am Ende von den Göttern in benachbarte Berge verwandelt werden. Eine Eruption wäre für das nahe Mexiko-Stadt sehr gefährlich.

Zu den gefährlichsten Vulkanen der Welt gehört der zentralafrikanische Nyiragongo: in den Jahren 1977, 2002 und 2021 starben dort mehrere hundert Menschen bei Aus­brüchen.

Die Vulkankette Cumbre Vieja („Alter Gipfel”) auf dem südlichen Teil der Kanaren-Insel La Palma wurde 2021 durch den Ausbruch an der „Cabeza de Vaca” bekannt.

Der Yellowstone unter dem gleichnamigen Nationalpark gilt als schlafender Supervulkan. Frühere Ausbrüche haben keinen Vulkankegel, sondern einen riesigen Einbruchkessel (Caldera) hinterlassen. Vom Magma erwärmte Wasservorkommen treten hier spektakulär als Geysire an die Oberfläche, wiederholte Phasen „thermischer Unruhe” lassen einen katastrophalen Ausbruch grundsätzlich möglich er­scheinen.

Jahr ohne Sommer

Als im Jahr 1815 der Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa ausbrach, starben nicht nur mindestens 71.000 Menschen in der direkten Umgebung des Vulkans, die durch Höhenwinde (Jetstreams) um die ganze Erde verteilten Staubteilchen führten auch im fernen Europa zu Missernten und Hungersnöten, das darauffolgende Jahr 1816 ging als „Jahr ohne Sommer“ in die Geschichte ein. Zugleich waren die Sonnenuntergänge von nie dagewesener Pracht.

Der letzte Ausbruch des Fuji, mit 3.776 Metern der höchste Berg Japans und heiliges Sinnbild der japanischen Identität, datiert auf das Jahr 1707. Aktuell wird er als aktiv mit geringem Ausbruchs­risiko ein­ge­stuft.

Typen von Vulkanen

Als vor 4,57 Milliarden Jahren die junge Erde (Proto-Erde) mit dem etwa marsgroßen Planeten Theia kollidierte, schmolz der gesamte Planet auf, schwere Elemente sanken nach unten, leichte sammelten sich in den äußeren Bereichen, und es entstanden der Erdkern aus Nickel und Eisen, der nur außen aufgeschmolzene Erdmantel mit hauptsächlich Oxid- und Silikat-Gesteinen und ganz außen die Lithosphäre. Sie ist fest und besteht aus mehr oder weniger großen Kontinentalplatten, die sich langsam, sehr langsam, gegen­einander ver­schieben.

In den sogenannten Subduktionszonen kollidieren zwei solcher Platten, die schwerere taucht dabei in den Mantel ab. Die meisten der etwa 500 heute aktiven Vulkane, meist hochexplosiv, liegen über solchen Zonen. Vor den Vulkanketten liegen Tiefseerinnen wie der Marianengraben, die tiefste Stelle der Welt­meere.

An Spreizungszonen wiederum driften Platten auseinander, im Pazifik bis zu 15 cm pro Jahr, und es entsteht neue ozeanische Kruste. Unter Wasser gibt es viel mehr aktive Vulkane als an der Erdoberfläche, wo man solche Spreizungszonen z.B. auf Island beob­achten kann.

Ein besonderer Fall sind die Hotspots, wo heiße Strömungen aus großer Tiefe aufsteigen und zu Aufschmelzungen führen. Über diesen Hotspots bilden sich Vulkane, die sich durch die Plattenbewegung allmählich vom Ort ihrer Entstehung entfernen und einschlafen. So bilden sich Ketten von Inseln wie etwa Hawaii.

Arten von Ausbrüchen

Vulkane brechen auf sehr unterschiedliche Weisen aus: mit steigendem Gasgehalt der Lava werden sie immer explosiver. Durch Aschen, vulkanische Bomben und Lavaströme entstehen Schichtvulkane mit oft typischer Kegelform. Große Aschewolken werden als plinianische Eruption bezeichnet, zusammenbrechende Aschesäulen dagegen als pelea­nisch.

Stürzt die entleerte Magmakammer des Vulkans ein, entsteht eine Caldera. Durch effusiven („ausfließenden”) Vulkanismus mit dünnflüssiger und gasarmer Lava fließt bilden sich Schildvulkane mit Durchmessern von über 100 Kilometern. Exhalativer („ausatmender”) Vulkanismus schließlich bezeichnet das Ausströmen vulkanischer Gase oder Dämpfe aus heißen Quellen.

Mythen

Vulkanische Phänomene erscheinen vorindustriellen Kulturen meist als Handlungen nichtmenschlicher Personen, entweder der Vulkane selbst oder von Wesen, die sie beherrschen. Wie mit anderen Nachbarn, muss man auch mit ihnen ein gutes Verhältnis an­streben.

Nutzen

Der empfundene Grad der Gefährdung durch einen Vulkan hängt wesentlich davon ab, wie häufig er aktiv ist. Bei der Risikoabwägung überwiegen aber offenbar stets die Vorteile. Nur so lässt sich erklären, warum Menschen sogar an hochgefährlichen Vulkanen siedeln.

Auch auf Touristen üben Vulkane eine enorme Faszination aus: am Ätna schieben sich Buskolonnen an den Flanken hoch, Lavabrocken werden als Souvenirs verhökert. Der Fuji verzeichnet jährlich über eine Million Besucher, und auch die aktiven Vulkane im Hawaii-Volcanoes-Nationalpark locken Tag für Tag 4.000 Besucher an.

Vulkane ausstellen?

Ohne Zweifel ist die Ausstellung attraktiv konzipiert und mit geschickt ausgewählten Exponaten bestückt, genau wie auch die Wandtafeln alles im notwendigen Umfang beschreiben, ohne die Besucher durch überlange Texte zu ermüden. Doch fehlt den ersten Abschnitten irgendwie noch der große und spekta­kuläre Wumms.

Der kommt nun aber in Gestalt eines animierten Vulkanausbruchs, bei dem unter Donner und Blitz Aschewolken aufsteigen, rauchende Lavabrocken durch die Luft fliegen und sich flüssiges Magma ins Meer ergießt – angenehm ungefährlich, da auf die Dimensionen der Leinwand begrenzt.

Dass man es eigentlich auch anders machen könnte, zeigt das oberpfälzische Parkstein, wo aus dem Keller des kleinen Museums tatsächlich eine glühende Rauchsäule aufsteigt und unter heftigem Donnern und Blitzen das ganze Gebäude unter den Füßen der Besucher erzittert. Wahrscheinlich wäre eine solche Inszenierung im Rahmen einer temporären Ausstellung aber gar nicht möglich.

Gewünscht hätte man sich auch das eine oder andere Gemälde aus der Zeit der blutroten Sonnenuntergänge und der besonders eisigen Winter, verursacht vom fernen Tambora. Oder den einen oder anderen Film, etwa vom Mount St. Helens im Nordwesten der USA, dem bis heute am besten beobachteten und untersuchten plinianischen Ausbruch, der den gesamten nördlichen Berggipfel spektakulär ab­sprengte.

Geistig bereits umfassend abgefüllt, dürfte auch so mancher Besucher gar nicht mehr so recht registrieren, dass es sich bei der originalgroßen Inszenierung einer Gebäudeecke aus Pompeji um ein Straßenrestaurant mit großen Essens­töpfen handelt. Und die Aufzug­fahrt ins Erd­innere? Nun ja.

Katalog

Das im wbg Theiss Verlag erschienene Begleitbuch greift als eigenständiges Werk nicht einfach nur die in der Ausstellung behandelten Themen auf, sondern ergänzt sie um spannende Reportagen zu Forschungsreisen und zeigt dramatische Fotos von spektakulären Ausbrüchen weltweit.

Der Verfasser hat die Ausstellung am 23. April 2023 besucht. Ach ja, und der isländische Vulkan mit dem Zungenbrecher-Namen heißt übrigens Eyjafjallajökull.

POI

Ausstellungshaus, Rosenheim

Aus­stel­lungs­zentrum Lok­schuppen

Alte Loko­mo­ti­ven-Remise. Aus­stel­lun­gen, die fun­dier­te wissen­schaft­liche Basis mit auf­wän­diger, ästhe­tisch an­spruchs­voller Ge­stal­tung kom­bi­nieren.

Museum, Parkstein

Vulkan­erlebnis Park­stein

Vulka­nis­mus in Park­stein. Aus­bruch, Er­star­rung und Erosion des Basalt­kegels. Ver­gangen­heit Park­steins. Franz und Richard Strauss, Räuber Franz Trog­lauer. Heu­tiges Leben am Fuße des Vulkan­kegels, Natur­schutz­gebiet Hoher Park­stein, Vulkan­land­schaft Bayern-Böhmen. Vulkan­aus­bruch im Museum.

Museum, Schotten

Vulka­neum

Inter­aktive Erleb­nis­aus­stel­lung mit 12 Statio­nen, die das Thema Vulka­nismus an­schau­lich erklären. Multi-Media-Installa­tionen, insze­nierte Räumen, inter­aktive Expo­nate und Experi­mentier­stationen.

Bis 10.12.2023, Rosenheim

Vulkane

Die multivisuelle Schau zu den aktivsten Feuerbergen der Erde führt digital mitten hinein in einen gewaltigen Vulkan­ausbruch, läßt ihre Besucher virtuell zum Mittel­punkt der Erde und veran­schau­licht, wie Menschen an und mit Vulkanen leben.

Bis 7.5.2023, Mettmann

Pompeji. Pracht und Untergang

Die Ausstellung lädt ein, den Alltag der Menschen in der einst reichen römischen Stadt Pompeji und die letzten Stunden bis zu ihrem Untergang nach­zu­empfinden.

Bis 22.9.2024, Bozen

Caldera. Spuren­suche im Supervulkan

Der Super­vulkan von Bozen, eines der größten Vulkan­ereig­nisse der Welt­ge­schichte, erstreckte sich vor 280 Millionen Jahren von Meran bis Trient.

Museum, Rosenheim

Städti­sche Ga­le­rie

Kunst des Chiemgauer und Münchner Kunstkreises seit dem 19. Jahrhundert. Stiftungen Max Bram, Constantin Gerhardinger, Hans Müller-Schnuttenbach.

Museum, Rosenheim

Holz­techni­sches Museum

Geschichte der Holztechnik. Maschinen und Geräte, Modelle, Holzprodukte.

Verantw. gem. §55 Abs 2 RStV:
Rainer Göttlinger
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