Stiftsmuseum, Aschaffenburg
Zwischen den Stühlen
Cranach, Luther und der Kardinal
Die Ausstellung aus Anlass des 500. Jahrestags von Martin Luthers „September-Testament” zeigt die Ambivalenz der frühen Reformationsjahre an zweien ihrer Hauptprotagonisten: Lucas Cranach und Albrecht von Brandenburg. In Gestalt zahlreicher Holzschnitte aus der Graphischen Sammlung der Städtischen Museen sowie einiger zentraler Drucke aus der Hofbibliothek, ergänzt um die herausragenden Kunstwerke in der Stiftskirche, wird diese bewegte Zeit noch einmal lebendig.
Wie kein anderer Maler steht Lucas Cranach d.Ä. für die Durchsetzung und Verbreitung der Reformation seines Freundes Martin Luther – und dennoch: der Blick aufs Detail offenbart, dass die Sache wohl doch nicht ganz so einfach lag. Denn für jeden Künstler bedeutete der neue Glaube ja auch einen radikalen Bruch mit jener spätmittelalterlichen Stifterfrömmigkeit, die mit ihren kostbaren Ausstattungen für all die Klöster, Kirchen und Kapellen Generationen von Kunstschaffenden ein Auskommen und künstlerische Entwicklungsmöglichkeiten geboten hatte.
Konnte man also das eine tun, ohne das andere zu lassen?
Cranach konnte: zu Beginn der 1520er Jahre, während er mit seinen Holzschnitten die junge Reformationsbewegung und Luthers revolutionäre Bibelübersetzung („Septembertestament”) wirkmächtig bebilderte, erging zeitgleich auch der wohl größte Gemälde-Auftrag, den die ältere deutsche Kunstgeschichte kennt, an den Meister aus Wittenberg. Auftraggeber war niemand geringeres als der nach dem Kaiser zweitmächtigste Mann im Heiligen Römischen Reich, der Mainzer Kurfürst-Erzbischof, Reichserzkanzler und Kardinal Albrecht von Brandenburg (1490-1545).
Die vielbeschworene „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen” ist es, die all diese Überlieferungen so interessant macht. Denn während Cranach für den Kardinal tätig war, entstanden genau parallel auch seine elf ganzseitigen Holzschnitte für Martin Luthers „Septembertestament” von 1522, einer Übersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche, die überdies auch noch von Cranach verlegt wurde.
So zeigt sich gerade angesichts der Aschaffenburger Kunstwerke die Janusköpfigkeit dieser Umbruchszeit, die in der Person des Künstlers Cranach geradezu physisch greifbar wird.