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26.5.2022
Protos Wettfahrtwagen zu „Die Welt der Technik in 100 Objekten”,
Arbeitstisch Otto Hahn zu „Die Welt der Technik in 100 Objekten”,
Linotype 6 c S Quick zu „Die Welt der Technik in 100 Objekten”,
Linotype, Modell „6 c S Quick”, Baujahr 1965, Deutsches Museum München
Foto: Clemens Pfeiffer, Wien

Besuchsbericht

Die Welt der Technik in 100 Objekten

Wie wählt man aus Tausenden spannender Objekte einhundert aus?

Rainer Göttlinger
26. Mai 2022

Die Technosphäre, also der von Menschen geschaffene Teil unserer Welt, besteht aus mehr als 130 Millionen Arten technischer Objekte, das Inventar des Deutschen Museums in München umfaßt 122.000 davon. Aus einer solchen Fülle 100 besonders spannende Objekte herauszugreifen und auf unterhaltsame Weise zu beschreiben ist gewiß keine leichte Aufgabe, die das vom Verlag C.H.Beck kürzlich vorgelegte Buch jedoch vorbildlich meistert.

Wie wählt man aus Tausenden von Objekten einhundert aus? Selbst wenn man sich nur auf „Meisterwerke” im Sinne des Museumsgründers Oskar von Miller beschränkte, fiele die Auswahl schwer: zu breit ist das Haus aufgestellt, und zu viele Stücke gibt es, die dieses Kriterium erfüllen. Die Redaktion des Buches hat daher einen anderen Weg gewählt und eine Auswahl zusammengestellt, die nicht als Inventar der Meisterwerke verstanden werden will, sondern mit solchen Objekten die Welt der Technik der letzten fünfhundert Jahre repräsentiert: Objekte, die so vielfältig sind wie das Deutsche Museum selbst.

Autoren der 100 namentlich gekennzeichneten Beiträge aus allen 54 Fachgebieten des Museums sind jene Menschen, die die Bereiche und Sammlungen verantworten, aber auch Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausstellungsdienst, den Werkstätten, der Bibliothek und dem Archiv sowie Restauratoren, Volontäre und nicht zuletzt der Generaldirektor selbst. Erstaunlich, dass das fast 700 Seiten starke Gesamtwerk dennoch wie aus einem Guß erscheint: derselbe Stil, dasselbe Gespür für das Faszinierende, das jedem der vorgestellten Stücke innewohnt.

Einige davon seien hier exemplarisch herausgegriffen:

Auf und Ab im Bergbau

„Und nun soll man auf allen Vieren hinab klettern, und das dunkle Loch ist so dunkel, und Gott weiß, wie lang die Leiter sein mag ... wo vor vierzehn Tagen ein unvorsichtiger Mensch hinuntergestürzt und leider den Hals gebrochen”, so schildert Schriftsteller Heinrich Heine in seiner 1826 erschienenen „Harzreise” seinen Besuch der der Silbergruben „Dorothea” und „Carolina”.

Wenige Jahre später gelang es dem Berggeschworenen Ludwig Dörell, endlich eine Lösung für das Problem zu finden: seine „Fahrkunst”, die bereits 1925 Teil der Eröffnungsausstellung auf der Museumsinsel war, besteht aus zwei sich wechselseitig auf und ab bewegenden hölzernen Gestängen, an denen in definierten Abständen Haltegriffe und Trittbretter befestigt sind. Der Bergmann trat auf ein Brett und ließ sich nach unten mitnehmen. Im Totpunkt, bevor die Bewegung sich umkehrte, wechselte er auf das freie Trittbrett am anderen Gestänge. Und ebenso im nächsten Totpunkt, wenn erneut zwei Trittbretter für eine Sekunde auf gleicher Höhe standen. Bis er sein Ziel erreicht hatte.

Setzmaschine Linotype

Die Linotype wird über eine Tastatur bedient. Jeder Tastenanschlag löst eine Matrize aus dem Magazin. Sie fällt durch einen Führungskanal auf einen Transportriemen und gesellt sich im Sichtfeld des Setzers zu den anderen gewählten Matrizen. Ist die Zeile fast voll, erklingt ein Glockenzeichen, und ein Hebel setzt das Ausschließen in Gang. Die Arbeitskraft kann sich nun der nächsten Zeile widmen, während die Maschine die übrigen Arbeitsschritte selbständig durchführt.

Nachbau der Zuse Z3

Am 20. Februar 1961 bot der Unternehmer Konrad Zuse(1910-1995) aus Bad Hersfeld dem Deutschen Museum an, einen Nachbau der „ersten programmgesteuerten Rechenmaschine der Welt” Z3 zu stiften, im Austausch gegen das Original der ebenfalls von ihm gestifteten Rechenmaschine Z4. Die Vorgeschichte dieser beiden Rechenmaschinen reicht bis in die Mitte der 1930er-Jahre zurück. 1968 übergab die ZUSE KG den Nachbau, der zuvor noch in den USA, in Japan und 1967 in Montreal ausgestellt worden war, an das Museum, wo er Teil der Ausstellung „Nachrichtentechnik” wurde.

Flugauto Pop.Up Next

Die Lösung des Teams von Italdesign für Staus, Abgase, Unfälle und all die anderen Probleme innerstädtischer Mobilität sieht so aus: eine zweisitzige Kabine wird wahlweise auf ein Fahrwerk gesetzt oder an einen Quadrocopter, eine viermotorige Riesendrohne, gekoppelt. Statt eines Lenkrads gibt es einen Bildschirm. Automatisiert und elektrisch werden Menschen an das gewünschte Ziel gefahren oder geflogen.

mRNA-Impfstoff

Die Firma BioNTech verfügte über gewaltiges Knowhow, hatte aber zuvor gerade einmal rund 400 Patienten mit experimentellen mRNA-Krebstherapien behandelt. Nun musste sie mitten in einer Pandemie zu etwas Neuem werden: zu einem Impfstoffhersteller. Dafür war ein starker Partner nötig: am 17. März 2020 wurde die Kollaboration mit dem US-amerikanischen Pharmaunternehmen Pfizer bekannt gegeben und diese schließlich mit der Zulassung des Impfstoffes, der später „Comirnaty” getauft wurde, mit Erfolg gekrönt. Der Inhalt der Ampulle, die dem Deutschen Museum als Schenkung überlassen wurde, war im Januar 2021 im Klinikum Traunstein an das dortige medizinische Personal verimpft worden.

Zusammenfassend sei über das Buch gesagt, dass die Geschichte und Geschichten von den ausgewählten Preziosen der Frühen Neuzeit über die Ikonen der Aufklärung, den Einzug der Maschinen, die Elektrifizierung, die neuen Verkehrsmittel und die Alltagshelfer bis hin zu den Objekten der Zukunft alle Sammlungsbereiche des Museums nicht nur bestens darin repräsentiert sind, sondern auch jedem technisch Interessierten über viele Abende hinweg kurzweilige Lektüre sein können. Und das alles mit jenem fachlich fundierten Hintergrund, der die Schilderung so vieler spannender Details überhaupt erst möglich macht.

Denn der reich bebilderte Band beschreibt all diese Dinge nicht nur, sondern erschließt mit ihrer Betrachtung stets auch ein Stück Welt- und Technikgeschichte: was zur jeweiligen Erfindung führte, für welche Zeit das Objekt geschaffen wurde, wie es die Lebenswelt verändert hat und nicht zuletzt, auf welchen Wegen es in das Deutsche Museum fand. Oder mit einem Satz: die allgegenwärtige Welt von Technik und Wissenschaft in ihrem Zusammenspiel mit Mensch und Gesellschaft, Natur und Kultur.

Heckl, Die Welt der Technik in 100 Objekten. 686 Seiten, 39,95€, Verlag C.H.Beck oHG, ISBN 978 3 406 78314 2

POI

Museum, München

Deut­sches Museum

Eines der be­deu­tend­sten natur­wissen­schaft­lich-tech­ni­schen Museen der Welt. Die sys­te­ma­ti­schen Dauer­aus­stel­lun­gen um­fas­sen die mei­sten Ge­biete der Tech­nik und die wich­tig­sten Ge­biete der Natur­wissen­schaf­ten von den An­fängen bis heute.

Museum, München

Verkehrs­zentrum

Die Samm­lung der Land­ver­kehrs­expo­nate des Deut­schen Museums spannt den Bogen von der Be­schleu­ni­gung auf eige­nen Füßen über die Ent­wick­lung des Renn- und Motor­sports am Beispiel promi­nenter Renn­wagen bis hin zu aus­ge­wählten Meilen­steinen und Fahr­zeug­inno­va­tionen.

Museum, Schleissheim

Flug­werft Schleiß­heim

Luft­fahrt­aus­ste­lung mit über 50 Flug­zeu­gen vom Lilien­thal- Gleiter (1894) bis zur MIG-23 (1980) in einer histo­ri­schen Flug­zeug­halle und einer mo­der­nen Aus­stellungs­halle.

Museum, Bonn

Deut­sches Museum Bonn

For­schung und Tech­nik in Deutsch­land nach 1945. Down­load­bare Soft­ware und Publi­ka­tio­nen.

Museum, Nürnberg

Deutsches Museum Nürnberg

Arbeit und Alltag, Körper und Geist, System Stadt, System Erde, Raum und Zeit: ein Schaufenster, durch das man bereits heute in die Welt von morgen blickt. Ab 18. September 2021.

Museum, Paderborn

Heinz Nix­dorf Museums­Forum

Ge­schich­te der Infor­mations­technik von der Keil­schrift bis zum Inter­net. Künst­liche Intelli­genz und Robotik.

Museum, München

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