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Die Aufgabe, die sich Flugpionier Otto Liliental in den 1890er-Jahren gestellt hatte, war zwar keine einfache. Im Vergleich zu seinen Mitpionieren, die sich zehn Jahre später dann um den motorisierten Streckenflug verdient machten, war so ein Hängegleiter aber nicht mehr als ein zaghafter Anfang, denn für einen echten Flug über nennenswerter Entfernungen brauchte es zusätzlich einen Antrieb.
Der in Leutershausen bei Ansbach geborene und nach ein paar Jahren auf See in die USA eingewanderte Gustav Weisskopf setzte dort seine eigenen Ideen zu diesem Thema in die Tat um und konstruierte einen Flugapparat samt zugehörigem Leichtmotor. Am 14. August 1901 trat er damit im aufstrebenden Städtchen Bridgeport (Connecticut) den Beweis an, dass seine Maschine tatsächlich vom Boden abheben und eine gewisse Strecke in der Luft zurücklegen konnte.
Zwar war bei diesem bemerkenswerten Versuch nebst anderen Augenzeugen auch ein Reporter der Lokalzeitung zugegen, aber leider kein Fotograf. Und so kam es, dass zwei Jahre später andere Erfinder, nämlich die Gebrüder Wright, die Lorbeeren für den ersten Motorflug der Geschichte einheimsten. Der Streit, ob Weisskopf an jenem Tag wirklich geflogen war, dauert bis heute an, wobei Befürworter wie Gegner jeweils Argumente aufführen, die so unwiderlegbar und zugleich unvereinbar erscheinen, als habe es zwei Weisskopfs und zwei Flugapparate Nr. 21 gegeben.
Leutershausen
Zumindest letzteres bestätigt sich bei einem Besuch des runderneuerten Gustav-Weisskopf-Museums im fränkischen Leutershausen durchaus.
Denn der aktuell gezeigte Nachbau 21B, der am 12. Februar 1997 in Manching bei Ingolstadt seine Flugfähigkeit unter Beweis gestellt hat, unterscheidet sich deutlich von der Version, wie sie vor der temporären Schließung des Museums in Leutershausen ausgestellt war: er ist nämlich, anders als das Original, mit modernen Zweitaktmotoren und schnell drehenden Propellern ausgestattet. Weisskopf hingegen hatte seinerzeit einen Motor verbaut, der nach dem Prinzip einer Dampfmaschine arbeitete, im schiffsähnlichen Flugzeugrumpf verbaut war und von dort aus über Gestänge zwei ausladende Luftschrauben in Bewegung setzte. Der Nachbau dieses Motors existiert, er liegt unter dem Flugapparat und hütet bis heute das Geheimnis, wie er ohne innere Verbrennung die nötige Kraft entwickeln konnte.
Angetrieben wurde Weisskopfs Kraftmaschine durch Acetylengas, das allerdings nicht in Druckflaschen mitgeführt wurde, denn die wären viel zu schwer gewesen, sondern an Bord durch den Kontakt von Karbid mit Wasser frisch erzeugt wurde. Was dann weiter mit dem sich entwickelnden Gasdruck geschah, blieb Weisskopfs Geheimnis und ist auch einer der Punkte, an denen die wissenschaftliche Diskussion ansetzt.
Peter Hanickel vom Deutschen Museum in München hat die von Weisskopf hinterlassenen Angaben nachgerechnet und kommt in seinem Vortrag vom 19. Oktober 2016 (nachzuhören auf YouTube) zu dem Ergebnis, dass die Leistung der weisskopf'schen Maschinerie nicht ausgereicht hätte, den Apparat in der beschriebenen Weise zum Fliegen zu bringen. Er stützt sich dabei jedoch auf Berechnungen, die für den Erstflug gar nicht relevant waren. So wären zum Beispiel, um die genannten 9 Kilogramm Karbid in Acetylengas umzuwandeln, etwa 70 Liter Wasser nötig gewesen, also mehr als die Maschine hätte tragen können. Das mag zwar sein, aber ein Erstflug dauert ja auch keine 20 Stunden, wozu also so viel Treibstoff mitführen? Auch Betrachtungen über den Heizwert von Acetylen und den Wirkungsgrad von Verbrennungsmotoren, so richtig sie auch sein mögen, bringen hier keinen Erkenntnisgewinn, da Weisskopfs Antrieb einem ganz anderen Konzept folgte. Völlig abwegig scheint gar die Behauptung, die Flügelkonstruktion von Nr. 21 sei gar nicht flugtauglich gewesen: immerhin war ja knapp 20 Jahre vorher schon das Gegenteil bewiesen worden.
Freilich hatten auch die Konstrukteure des Nachbaus gewisse Schwierigkeiten, Weisskopfs Angaben z.B. zu den Luftschrauben nachzuvollziehen. Zwar konnte mit dem authentisch nachgebauten, extrem leichten Gasdruckmotor eine Drehzahl von 250 U/min erreicht werden, Weisskopf hatte in seinen Unterlagen aber das Dreifache notiert. War der erzielte Druck generell zu niedrig? Oder der Druckverlust in den Steuerventilen zu hoch? Lag es gar an der Beimengung jener Substanz, die „nur Weisskopf kannte”, wie der Reporter damals schrieb?
Das Nachbau-Team entschied sich schließlich dafür, die Maschine mit modernen Zweitaktmotoren und schnell drehenden Propellern statt der paddelartigen Luftschrauben auszurüsten. Und siehe da: die 21B hob damit ab und flog!
Nun hängt sie also als Schaustück des neuen Flugpioniermuseums über den Köpfen der Besucher, wogegen nichts einzuwenden wäre, hätte das Museum sich die Würdigung der FFGW („Flughistorische Forschungsgemeinschaft Gustav Weisskopf”) und seiner Verdienste um die Weisskopf-Forschung auf die Fahnen geschrieben.
Hat es aber nicht: dem unbedarften Besucher wird vielmehr vermittelt, durch den Nachbau von 1997 sei der Beweis erbracht worden, dass Weisskopf mit dem Original von 1901 tatsächlich der erste Motorflug der Geschichte gelungen sein könnte.
Und das ist schade. Denn das im Museumskontext völlig unnötige Weglassen der authentischen Antriebsmaschinerie verwässert die weisskopf'sche Pioniereistung eher, als dass es sie bestätigt. Mit anderen Worten: aerodynamische Konzeption gut, Antriebssystem leider untauglich. Daran ändert auch die isolierte Aufstellung des ausgebauten Gasdruckmotors nur wenig.
Im Vorgängermuseum war das noch ganz anders: sowohl der Acetylenmotor als auch die Luftschrauben waren bei der Nr. 21 analog zu den historischen Fotografien eingebaut und montiert. Warum man bei der Neukonzeption den Pfad der originalnahen Darstellung verlassen hat, wird wohl bis auf weiteres ein Rätsel bleiben.
Museum, Leutershausen
Erster Motorflug Gustav Weißkopfs in Connecticut 1901, zwei Jahre vor den Gebrüdern Wright. Flugpioniere wie Anthony Fokker, Louis Blériot, Amelia Earhart und „Wrong Way Corrigan”.
Museum, Leutershausen
Bis 15.12.2024, Bad Windsheim
Schloss, Schillingsfürst
Reichskanzler Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst, Familien Sayn-Wittgenstein und Radziwill. Jagdleidenschaft der früheren Schlossbewohner. Museum der französischen Fremdenlegion, Liszt-Museum, Fürstlicher Falkenhof.
Zoo, Schillingsfürst
Frei fliegende Greifvögel, Eulengarten.
Museum, Schillingsfürst
Einzigartige Ochsentretanlage der fürstlichen Wasserversorgung, erbaut von Martin Löhner im Jahre 1702. Wohnkultur des 18. Jhdts., altes Handwerk, Kräutergarten.
Schloss, Ansbach
Sammlung Ansbacher Fayencen und Porzellane. Deckenfresko, Gemäldegalerie mit Werken des Rokoko und der ehemals markgräflichen Galerie, Sammlung Meißener Porzellane. Hofgarten mit Orangerie, Rosen- und Heilkräutergarten.
Museum, Schillingsfürst
Ehemaliges Amtsgerichtsgebäude im klassizistischen Baustil. Nachlass des Malers Ludwig Doerfler. Geschichte Schillingsfürsts und Umgebung. Ehrenzimmer für Waltraud Beck, Gerda Sattler, Horst Haitzinger und Bernhard Heisig.