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16.8.2024
Modell Abu Simbel zu „Mit Nefertari durch den Pharaonentempel”,

Beitrag

Mit Nefertari durch den Pharaonentempel

Eine Kölner Ausstellung ermöglicht den virtuellen Besuch von Abu Simbel

Rainer Göttlinger
15. August 2024

Mit dem Bau des Assuan-Staudamms in Ägypten ab 1960 sollte ein einzigartiges Kulturdenkmal für immer in den Fluten des Stausees versinken: die von Pharao Ramses II. errichtete und 1813 von dem Schweizer Orientreisenden Johann Ludwig Burckhardt alias Scheich Ibrahim Ibn Abdallah wiederentdeckte Kultstätte Abu Simbel. In einem weltweiten Gemeinschaftsprojekt wurden die beiden Tempel ab 1963 aus dem Fels gesägt und wie zyklopische Legosteine an einem sicheren Ort wieder zusammengefügt.

Doch wie authentisch ist das eigentlich noch, was sich da unter dem künstlichen Felshügel befindet? Welches Gefühl stellt sich ein, wenn man weiß, dass man sich nicht tief im Inneren des Uferfelsens befindet, sondern unter einer Stahlbetonkuppel, die jeden einzelnen der über 1000 Steinblöcke an genau dieser Stelle fixiert? Ist das latente Gefühl, hier eine Scheinwelt wie im Film „Westworld” zu erleben, gerechtfertigt?

Vor den wieder aufgebauten Tempeln stehend und ins Wasser des Stausees blickend weiß man: es hätte schlimmer kommen können, statt seufzend auf ein paar alte Schwarzweißfotos zu starren können wir die beiden Tempel auch heute noch begehen und den Gesamteindruck, wie er in der Vergangenheit war, noch immer auf uns wirken lassen.

Passiert Ähnliches vielleicht auch im virtuellen Raum? Dank neuester VR-Technik müssen wir heute nicht mehr nach Ägypten reisen und uns stundenlang mit dem Bus durch die Wüste karren lassen. Der Verfasser hat beides besucht, die versetzten Tempel von Abu Simbel und ihr virtuelles Pendant in der Kölner Ausstellung „Ramses & das Gold der Pharaonen”. Sein Fazit: die Faszination der schwindenden Relevanz von Zeit ist in beiden Fällen mehr oder weniger dieselbe.

Machen wir es uns also, ausgestattet mit Kopfhörern und einer Taucherbrille voller Elektronik, in einem bequemen Sessel gemütlich und harren der Dinge, die da kommen werden.

Natürlich gibt es Unterschiede zur realen Erfahrung, ganz erhebliche sogar. Virtuelle Realität ist aber keineswegs vergleichbar mit einem Film, der vor dem Betrachter abläuft. VR umgibt uns vielmehr auf allen Seiten. Aber nicht wie Käseglocke, sondern dreidimensional: der Abstand zu den Wänden des Tempeleingangs lässt sich gut abschätzen, und immer wieder ist man versucht, den Ellenbogen einzuziehen oder die Füße anzuheben, während man gefühlt in das Tempelinnere hinein getragen wird wie in einer Sänfte und dabei den behauenen Pfeilern bedrohlich nahe kommt. Ein ehrfürchtiger Blick nach oben, ein neugieriger auf das Relief, von dem sich gerade Ramses’ Streitwagen ein paar Zentimeter weit abhebt, um gleich darauf wieder mit der Wand zu verschmelzen.

Damals, im originalen Tempel, mußte man freilich die eigenen Füße benutzen, um hinter die monumentalen Statuen oder von einem Raum des Tempels in den nächsten zu gelangen. Und sich umdrehen, wenn man keine wichtigen Details übersehen wollte. Hier in der VR-Welt dreht stattdessen jemand an der Sänfte.

Doch ist das nicht der einzige Unterschied. Dem einen fällt es vielleicht etwas früher auf, dem anderen später: man ist mit der Lieblingsfrau des Pharao, die einem erklärend voraus schwebt, ganz allein im Tempel. Keine anderen Touristen, keine Schritte auf dem Steinboden, kein Klicken und Piepsen von Kameras und anderer Elektronik, kein Stimmengewirr. Nur man selbst und der Geist der Nefertari. Na ja, nicht ganz. Aber mehr soll hier nicht verraten werden.

Bei Tutanchamun, der zuletzt vom Verfasser besuchten immersiven Ausstellung, war alles ein wenig anders: man bewegte sich auf seinen eigenen Füßen in der virtuelle Szenerie herum, begegnete anderen Besuchern, die von der Brille als frei im Raum schwebende graue Porträtbüsten dargestellt wurden, sich ansonsten aber wie ganz normale Mitbesucher verhielten und durchaus auch akustisch wahrnehmbar waren. Man fand den einen oder anderen Gegenstand, der zwar haptisch nicht vorhanden war, jedoch mit den eigenen virtuellen Händen bewegt werden konnte: ein Buch etwa oder eine Lampe. Und man konnte sich seinen Weg entlang der Wände des Pharaonengrabes oder durch das Grabungszelt selbst aussuchen.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Ausgrabungszelt und Pharaonengrab nicht die einzige virtuelle Welt jener anderen immersiven Schau waren: zusammen mit dem Projektionsraum und der Variante mit bewegten Sitzen waren es deren sogar drei.

Doch darf andererseits auch die Kölner Ausstellung nicht auf ihre VR-Komponente reduziert werden, im Gegenteil: deren eigentliches Highlight sind natürlich die Originalexponate aus dem Ägyptischen Museum in Kairo, vom wuchtigen Steinsarkophag über diverse mumifizierte Tiere bis hin zum filigranen Amulett oder Siegelring.

Und auch die beiden Tempel von Ramses II. und der Nefertari treten noch einmal in Erscheinung, ganz real und von allen Seiten her betrachtbar, denn es handelt sich um ein Schnittmodell der Tempelanlage im Inneren des Berges. Sogar das Sonnenwunder, bei dem an zwei Tagen im Jahr das Licht der aufgehenden Sonne bis in das hinterste Heiligtum dringt, findet sich in Form einer kleinen Lampe mit Einschaltknopf wieder.

POI

Erlebnisort, Köln

Odys­seum Köln

Erleb­nis­sta­tio­nen für unter­schied­liche Alterss­tufen. Ent­ste­hung des Lebens, fas­zi­nie­ren­de Tech­nik, Phäno­mene wie Globa­li­sie­rung und Klima­wandel.

Bis 29.9.2024, Köln

Ramses & das Gold der Phara­onen

Das multi­senso­rische Museums­erlebnis gibt einen faszi­nie­ren­den Einblick in das Leben und Er­rungen­schaften des legen­dären Pharao Ramses II.

Bis 10.11.2024, Köln

Charges­heimer

Der Auftrag lautete, reprä­senta­tive Auf­nahmen des Wieder­aufbaus der kriegs­zerstörten Stadt anzu­fertigen, dabei aber auch die „typischen” Kölner festzu­halten.

Museum, Köln

Museum Ludwig

Kunst des 20. Jahr­hun­derts und der Gegen­wart: Ex­pres­sio­nis­mus (Samm­lung Haub­rich), Russi­sche Avant­garde, Picasso (welt­weit dritt­größte Samm­lung), Neue Sach­lich­keit, Bau­haus und De Stijl, Dada und Sur­rea­lis­mus, Ab­strak­ter Ex­pres­sio­nis­mus, Noveau Réa­lisme, Pop Art u.v.m.

Museum, Köln

Wallraf-Richartz-Museum

Alt­kölner Malerei, nieder­ländi­sche und alt­deut­sche Tafel­malerei, flämi­sche und hollän­dische Gemälde, Bilder des 17. Jahr­hun­derts aus Italien und Spanien, deutsche Ro­man­tik, Rea­lis­mus, Im­pres­sio­nis­mus, Skulp­turen ab 1800. Graphi­sche Samm­lung.

Museum, Köln

Museum für Ange­wandte Kunst

Euro­päi­sches Kunst­hand­werk vom Mittel­alter bis zur Gegen­wart. Möbel, Kera­mik (Rhei­ni­sches Stein­zeug, Fayence, Por­zellan), Glas (Italien, 16. Jahr­hun­dert, Deutsch­land, 17.- 18. Jahr­hun­dert, Jugend­stil), Silber, Zinn, Schmuck von der Gotik bis zur Gegen­wart.

Museum, Köln

Kölni­sches Stadt­museum

Ge­schich­te, Geistes­leben, Wirt­schaft und All­tags­leben Kölns und seiner Be­wohner vom Mittel­alter bis in die Gegen­wart. Köln-typi­sche Phäno­mene wie Klüngel, Kölsch, Karne­val, Hänne­schen-Theater, Köl­nisch Wasser, der in Köln erfun­dene Otto-Motor und Ford.

Verantw. gem. §55 Abs 2 RStV:
Rainer Göttlinger
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