VolksWagner
Popularisierung – Aneignung – Kitsch
Bis 8.1.23, Richard Wagner Museum, Bayreuth
Was haben der Film „Django Unchained”, Heavy-Metal-Musik und französischer Schmelzkäse mit Richard Wagner gemeinsam? Dieser Frage geht die Sonderausstellung nach und zeigt das ambivalente Spannungsfeld, in dem Richard Wagner und sein Vermächtnis sich zwischen Hoch- und Populärkultur in Geschichte und Gegenwart bewegen.
Richard Wagner war ein Ausnahmekünstler, Revolutionär und Visionär. E zählt nicht nur zu den bedeutendsten Komponisten des 19. Jahrhunderts, sondern war es auch, der die Oper als „Gesamtkunstwerk” neu definierte und damit Musikgeschichte schrieb.
Auch ist er der einzige Komponist, dem es gelang, ein Opernhaus errichten zu lassen, in dem bis heute nur seine eigenen Werke aufgeführt werden. Musikliebhaber aus aller Welt reißen sich alljährlich darum, Karten für die berühmten Bayreuther Festspiele zu ergattern. Während Wagner somit für viele als Inbegriff von „Hochkultur” steht, ist das Feld, in dem er in der sogenannten „Populärkultur” auftaucht, schier unendlich.
Anders formuliert: Wagner ist überall: in der Werbung, in Comics, in Computerspielen, im Film und sogar im Weltall. Bereits seit dem 19. Jahrhundert werden Asteroiden nach Figuren aus Wagners Werken benannt und reisen als „Walküre” oder „Senta” durch Zeit und Raum. In den 1970er Jahren ließ die „Cosima-Reederei” ihre Schiffe „Rheingold”, „Lohengrin” und „Hans Sachs” in See stechen, und bis zum Jahr 2000 bot die Käserei Bayreuth den aromatischen Weichkäse „Cosima” zum Kauf an.
Vor allem dank der rasanten Entwicklung der Medien im 20. Jahrhundert lassen sich noch viele weitere Beispiele für Wagners Einzug in die Populärkultur und den kulturellen Massenkonsum finden.
Ein ganz anderer Wagner erklingt hingegen auch heute noch bei kirchlichen Trauungen, wenn Bräute sich wie einst Prinzessin Viktoria von Preußen zu den Klängen aus dem 3. Akt des „Lohengrin” zum Altar führen lassen.
Seit Beginn der Filmgeschichte werden jedoch nicht nur Wagners Musik, sondern auch Motive seiner Werke auf der großen Leinwand übernommen. So gilt Wagner mit seiner sogenannten „Leitmotivtechnik” manchem als Vater der Filmmusik, Motive seiner Dramen finden sich in Blockbustern wie „Apocalypse Now”, „Blues Brothers”, „Matrix” oder auch „Django Unchained”, wo Wagners „Siegfried” sogar zur Gänze adaptiert und thematisiert wird.
Spätestens seit dem 30. Mai 1941, als er im Rahmen einer Deutschen Wochenschau die Luftkämpfe über Kreta untermalte, ist der „Walkürenritt” zudem weltweit zum musikalischen Synonym für kriegerische Aggressivität geworden. Unter Adolf Hitler wurde Wagners Erbe im engen und freundschaftlichen Kontakt mit Winifred Wagner und ihrer Familie Teil der nationalsozialistischen Liturgie und Wagner damit zum Sinnbild des „arischen” Kulturverständnisses. Doch Wagner überstand selbst das.
Die Ausstellung zeigt die Geschichte und die Gegenwart dieser oft widersprüchlichen Popularisierung, die bereits zu Lebzeiten Wagners begann und in seiner polarisierenden, umstrittenen Persönlichkeit, den ambivalenten Wirkungen seiner Werke und der ideologischen Anschlussfähigkeit seiner metapolitischen Ästhetik des „Gesamtkunstwerks” ihren Ursprung hat.
Wagner bleibt ein stets umstrittenes Politikum und so dauerhaft aktuell. Denn letztendlich sind es die Menschen, die Zuschauer und Zuhörer, die sich jeweils „ihren” Wagner schaffen.