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Um an der berühmten Formel-1-Strecke von Monaco zu stehen, muss man nicht mehr zwingend an die Côte d’Azur reisen, auch in Hamburg läßt sich neuerdings echtes Rennstrecken-Feeling erspüren, wenn auch nur im Miniaturformat. Natürlich sieht man vom eigenen Zuschauerplatz aus immer nur einen Abschnitt der Strecke, kann das Rennen aber über die Monitore mitverfolgen. Wo haben die nur die vielen Kameras versteckt? Natürlich: im Modell-Kameraturm, wo denn auch sonst?
Aus den Bergen und Schluchten der Provence gleich nebenan dringt das Geräusch eines fahrenden Mopeds ans Ohr. Wie in der Realität hört man das kleine Zweirad-Teufelchen schon, bevor man es sieht. Wo mag es nur sein? Ah, dort!
Die größte Modellbahn der Welt kommt schon seit ein paar Jahren nicht mehr mit dem Platz im ursprünglichen Gebäude aus, also haben die Wunderlandgründer Frederik und Gerrit Braun eine Brücke über das Fleet gebaut und sich auf diese Weise zusätzliche Flächen im jenseitigen Gebäude erschlossen. Analog zu den realen geographischen Gegebenheiten sind drüben vor allem die Länder der Neuen Welt untergebracht, was freilich nicht ganz konsequent ist, da sich die USA nach wie vor diesseits des Fleet-Atlantiks befinden. Zugleich liegen aber auch modellbautechnisch Welten zwischen der 2003 eröffneten Prärielandschaft und dem gerade einmal drei Jahre alten Rio de Janeiro mit seinen wild verschachtelten Favelas, dem Karneval im Sambadrom, dem Zuckerhut samt Seilbahn und dem Modell-Corcovado, von dem bei Anbruch der Dunkelheit ein erleuchteter Cristo Redentor herabgrüßt. Denn im Miniatur-Wunderland, das muss man wissen, dauert der lichte Tag immer nur 15 Minuten.
Für den nun folgenden, erst kürzlich eröffneten Patagonien-Abschnitt müßte man sich nun eigentlich einen Friesennerz überwerfen wie die winzigen Polarforscher, die von ihrem Expeditionsschiff aus die Pinguine beobachten. Was hier von den Modellbauern erschaffen wurde, verdient höchsten Respekt: das stürmisch bewegte Wasser der Drake Street sieht durch die von unten projizierten Schaumkronen unglaublich echt aus, und auch die kleinen Boote schaukeln so heftig hin und her, dass man schon vom Hinsehen schier seekrank wird. Deutlich entspannter geht es beim kalbenden Morenogletscher zu: die Eisstücke senken sich ins Wasser, als bugsierte eine imaginäre Hausfrau bedächtig rohe Eier in ihren Kochtopf. Hier müssen die Modellbauer wohl noch ein wenig nachbessern.
Wer möchte, kann im Wunderland übrigens seine individuelle Modellfigur erwerben und mitten ins Helene-Fischer-Konzert platzieren lassen. Allerdings müßte sie dort „Atemlos” in Dauerschleife ertragen, und das will man ja noch nicht einmal seinem Avatar zumuten.
Genug Wunderland für heute? Auf gar keinen Fall, aber der Mensch muss ja auch mal was essen. Die Plätze im Restaurant sind einem Eisenbahnabteil nachempfunden, zum Glück ohne die wunderlandtypische Verkleinerung, was gottlob auch für die Größe der Portionen gilt. Frisch gestärkt wende man sich sodann wieder den diversen Weltregionen zu, beginnend bei Hamburg, das zusammen mit Skandinavien, Nordamerika, Mitteldeutschland, der Weltstadt Knuffingen samt Airport, Bayern und der halben Schweiz die obere Etage einnimmt. Akustisch geleitet vom Lüü-Laa-Löö der Gebirgspostbusse steigt man sodann hinab an den Fuß des Matterhorns und weiter in den Bereich, wo über den mediterranen Landschaften Italiens soeben der Ätna ausbricht. Welch ein Erlebnis!
Um Modelle geht es auch in einer weiteren Hamburger Attraktion, dem Wachsfiguren-Panoptikum an der Reeperbahn, also jener berühmten Flaniermeile, die aber ganz offensichtlich viel mehr als nur Halbseidenes zu bieten hat.
Die Tradition des Familienunternehmens reicht bis in das 19. Jahrhundert zurück, die heutige Chefin ist die Urenkelin des Gründers. Im Feuersturm des Zweiten Weltkriegs ging zwar vieles verloren, aber einige Figuren verdienen allein schon aufgrund ihres hohen Alters respektvolle Behandlung. Wer vor allem auf Selfies mit Prominenten erpicht ist, darf sich gerne zu Helmut Schmidt an den Salontisch setzen, sei aber darauf hingewiesen, dass der alte Herr nicht sonderlich gesprächig ist. Auch die Queen nebenan gibt sich majestätisch-distanziert, während gegenüber in der Nische Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher gemütlich beim Pfälzer Saumagen zu Tisch sitzen.
Neben einem pinkfarbenen Cadillac posiert James Dean, auf dem Rücksitz hat Marilyn Monroe Platz genommen, und am Steuer sitzt Elvis Presley, allesamt authentisch gekleidet und ausstaffiert, ebenso wie die vier pilzköpfigen Herren gleich nebenan. Sie waren noch sehr jung, als sie quasi um die Ecke im Hamburger Starclub auftraten, John Lennon trug noch keine Nickelbrille, und auch der Schnauzbart war noch nicht modern.
Die Lieblingsfigur der meisten Besucher ist sicher Otto Waalkes, wie er da in seiner typischen Pose am Brüstungsgeländer lehnt. Oder vielleicht doch Helene Fischer? Oder Taylor Swift? Oder gar Harry Potter? Jede Generation hat eben ihre Idole, und während der eine sich freut, dem wächsernen Abbild eines Erik Ode oder Roy Black gegenüberzustehen, mag sich der andere vielleicht fragen: wer ist dieser Herr da überhaupt? Man sieht genauer hin, noch genauer – und plötzlich steht der Inspizierte auf und geht weg.
Die persönliche Lieblingsfigur des Verfassers trägt wirre Haarpracht und einen grauen Strickpulli und hat wohl soeben die Formel E=mc² an die Wandtafel notiert. Wirklich schade, dass man mit so einer Wachsfigur derzeit noch kein Gespräch führen kann wie mit dem humanoiden Roboter „Ameca” im Nürnberger Zukunftsmuseum. Aber das kommt sicher noch.
Museum, Hamburg
Größtes und ältestes Wachsfigurenkabinett Deutschlands mit über 120 Figuren: Albert Einstein, Michael Jackson, Charlie Chaplin, Helmut Kohl, die Beatles, Helene Fischer und viele mehr. Glasaugensammlung, Gruselkabinett.
Museum, Hamburg
Größte Modellbahn-Anlage der Welt in den Räumen eines alten Hauses in der Hamburger Speicherstadt. Abschnitte Hamburg, Mitteldeutschland, Knuffingen Airport, Österreich, USA, Skandinavien, Schweiz, Italien mit Venedig, „Atlantikbrücke” über das Fleet nach Südamerika..
Bis 19.1.2025, Hamburg
Ab 21.2.2025, Hamburg
Die drei ausgestellten Künstlerinnen entwickelten die surrealistische Bildsprache innovativ, unkonventionell und entschieden weiter.
Museum, Hamburg
Eine der führenden norddeutschen Kultureinrichtungen mit Ausstellungen von höchster Qualität.
Bis 6.4.2025, Hamburg
Der Sammler und Galerist Alexander Schröder überlässt der Hamburger Kunsthalle ein beeindruckendes Konvolut von 63 Werken mit insgesamt 78 Elementen.
Schauplatz, Hamburg
Erinnerungsort für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft der Jahre 1933-1945. Ursachen und Folgen des Luftkriegs in Europa. Aussichtsturm.
Bis 6.7.2025, Hamburg
Bis 4.5.2025, Hamburg
Franz Gertsch gilt als Pionier des Fotorealismus. Die retrospektive Ausstellung zeigt eine Werkübersicht aus mehr als 60 Jahren.