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Gefragt, welche Vulkane man denn so kenne, kämen wohl jedem von uns sogleich der Vesuv, der Fujiyama oder dieser unaussprechliche – wie hieß der doch gleich nochmal? – egal, der isländische Vulkan, der vor ein paar Jahren den gesamten europäischen Luftverkehr lahmlegte, in den Sinn. Und der eine oder andere mag vielleicht auch noch den Ätna, den Stromboli oder gar den Popocatépetl aus seinem Gehirnkasten kramen.
Die Ausstellung, die seit kurzem im Rosenheimer Lokschuppen gezeigt wird, vermag noch viele weitere bedeutende Vulkane nicht nur zu benennen, sondern auch auf angenehme und unterhaltsame Weise in Wort und Bild zu setzen: ihre Erforschung, die Ausbrüche, die damit verbundene Mythologie, die wirtschaftliche Bedeutung für die Region.
Man braucht dazu lediglich der Spur der Lava zu folgen, die sich als animiertes rotes Band durch die Ausstellungsräume schlängelt.
Vulkanologie
Gleich zum Anfang treten uns einige bekannte Forscher entgegen. Denn in vergangenen Zeiten lockten feuerspeiende Berge immer wieder Expeditionsreisende an den Rand ihrer Krater, den berühmten Alexander von Humboldt etwa. Vulkane und ihre Rolle bei der Entstehung der Erdkruste haben in seiner Arbeit nämlich besonderes Gewicht. In Südamerika bestieg er zu Forschungszwecken den 6.263 Meter Chimborazo, kam aber nicht bis zum Gipfel. Auch bei diesem Berg handelt es sich um einen Vulkan, sein letzter Ausbruch liegt rund 1.500 Jahre Jahre zurück.
Das antike Pompeji fasziniert Reisende schon seit der Renaissance. Als Geburtsstunde der Vulkanologie gelten zwei Briefe von Plinius dem Jüngeren an seinen Freund Tacitus mit der ältesten erhaltenen Beschreibung einer Eruption, nämlich des Vesuv-Ausbruchs im Jahr 79 n. Chr. Darin schildert er, wie seine Mutter und ihr Bruder, Plinius der Ältere, am 24. Oktober nachmittags eine unheilvolle Wolke über dem Vulkan bemerken. Per Segelboot eilte der Onkel zum Unglücksort – und kam dort ums Leben.
Zu Alfred Wegeners Leistungen zählt, neben der ersten Überwinterung auf dem grönländischen Inlandeis, die Theorie der Kontinentalverschiebung und Plattentektonik. Seine im Jahr 1921 eigenhändig angefertigte Karte mit den Umrissen der Kontinente ist in einer Vitrine zu sehen. Seine Theorie wurde erst lange nach seinem Tod akzeptiert.
Gefahren durch Vulkane
Der Ätna auf Sizilien liegt in einer Zone hoher vulkanischer Aktivität, verursacht durch das Abtauchen der afrikanischen Kontinentalplatte unter die europäische. In den Sagen der Antike hat dort der Gott Vulcanus (griechisch: Hephaistos) seine Schmiede.
Die meisten Vulkane der Erde finden sich entlang des pazifischen Feuerrings, so nennt man den Rand der pazifischen Kontinentalplatte. Ein gefährlicher Vulkan auf der Insel Java ist der Merapi („Feuerberg”), die Javaner erbringen noch heute Opfergaben zu seiner Besänftigung.
Der Popocatépetl („Rauchender Berg”) ist Mexikos aktivster Vulkan und liegt neben dem ruhenden Vulkan Iztaccihuatl („Schlafende Frau"). Eine Legende sieht den Ursprung der beiden Vulkane in der unglücklichen Liebesgeschichte zwischen dem Krieger Popoca und Prinzessin Iztaccíhuatl, die am Ende von den Göttern in benachbarte Berge verwandelt werden. Eine Eruption wäre für das nahe Mexiko-Stadt sehr gefährlich.
Zu den gefährlichsten Vulkanen der Welt gehört der zentralafrikanische Nyiragongo: in den Jahren 1977, 2002 und 2021 starben dort mehrere hundert Menschen bei Ausbrüchen.
Die Vulkankette Cumbre Vieja („Alter Gipfel”) auf dem südlichen Teil der Kanaren-Insel La Palma wurde 2021 durch den Ausbruch an der „Cabeza de Vaca” bekannt.
Der Yellowstone unter dem gleichnamigen Nationalpark gilt als schlafender Supervulkan. Frühere Ausbrüche haben keinen Vulkankegel, sondern einen riesigen Einbruchkessel (Caldera) hinterlassen. Vom Magma erwärmte Wasservorkommen treten hier spektakulär als Geysire an die Oberfläche, wiederholte Phasen „thermischer Unruhe” lassen einen katastrophalen Ausbruch grundsätzlich möglich erscheinen.
Jahr ohne Sommer
Als im Jahr 1815 der Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa ausbrach, starben nicht nur mindestens 71.000 Menschen in der direkten Umgebung des Vulkans, die durch Höhenwinde (Jetstreams) um die ganze Erde verteilten Staubteilchen führten auch im fernen Europa zu Missernten und Hungersnöten, das darauffolgende Jahr 1816 ging als „Jahr ohne Sommer“ in die Geschichte ein. Zugleich waren die Sonnenuntergänge von nie dagewesener Pracht.
Der letzte Ausbruch des Fuji, mit 3.776 Metern der höchste Berg Japans und heiliges Sinnbild der japanischen Identität, datiert auf das Jahr 1707. Aktuell wird er als aktiv mit geringem Ausbruchsrisiko eingestuft.
Typen von Vulkanen
Als vor 4,57 Milliarden Jahren die junge Erde (Proto-Erde) mit dem etwa marsgroßen Planeten Theia kollidierte, schmolz der gesamte Planet auf, schwere Elemente sanken nach unten, leichte sammelten sich in den äußeren Bereichen, und es entstanden der Erdkern aus Nickel und Eisen, der nur außen aufgeschmolzene Erdmantel mit hauptsächlich Oxid- und Silikat-Gesteinen und ganz außen die Lithosphäre. Sie ist fest und besteht aus mehr oder weniger großen Kontinentalplatten, die sich langsam, sehr langsam, gegeneinander verschieben.
In den sogenannten Subduktionszonen kollidieren zwei solcher Platten, die schwerere taucht dabei in den Mantel ab. Die meisten der etwa 500 heute aktiven Vulkane, meist hochexplosiv, liegen über solchen Zonen. Vor den Vulkanketten liegen Tiefseerinnen wie der Marianengraben, die tiefste Stelle der Weltmeere.
An Spreizungszonen wiederum driften Platten auseinander, im Pazifik bis zu 15 cm pro Jahr, und es entsteht neue ozeanische Kruste. Unter Wasser gibt es viel mehr aktive Vulkane als an der Erdoberfläche, wo man solche Spreizungszonen z.B. auf Island beobachten kann.
Ein besonderer Fall sind die Hotspots, wo heiße Strömungen aus großer Tiefe aufsteigen und zu Aufschmelzungen führen. Über diesen Hotspots bilden sich Vulkane, die sich durch die Plattenbewegung allmählich vom Ort ihrer Entstehung entfernen und einschlafen. So bilden sich Ketten von Inseln wie etwa Hawaii.
Arten von Ausbrüchen
Vulkane brechen auf sehr unterschiedliche Weisen aus: mit steigendem Gasgehalt der Lava werden sie immer explosiver. Durch Aschen, vulkanische Bomben und Lavaströme entstehen Schichtvulkane mit oft typischer Kegelform. Große Aschewolken werden als plinianische Eruption bezeichnet, zusammenbrechende Aschesäulen dagegen als peleanisch.
Stürzt die entleerte Magmakammer des Vulkans ein, entsteht eine Caldera. Durch effusiven („ausfließenden”) Vulkanismus mit dünnflüssiger und gasarmer Lava fließt bilden sich Schildvulkane mit Durchmessern von über 100 Kilometern. Exhalativer („ausatmender”) Vulkanismus schließlich bezeichnet das Ausströmen vulkanischer Gase oder Dämpfe aus heißen Quellen.
Mythen
Vulkanische Phänomene erscheinen vorindustriellen Kulturen meist als Handlungen nichtmenschlicher Personen, entweder der Vulkane selbst oder von Wesen, die sie beherrschen. Wie mit anderen Nachbarn, muss man auch mit ihnen ein gutes Verhältnis anstreben.
Nutzen
Der empfundene Grad der Gefährdung durch einen Vulkan hängt wesentlich davon ab, wie häufig er aktiv ist. Bei der Risikoabwägung überwiegen aber offenbar stets die Vorteile. Nur so lässt sich erklären, warum Menschen sogar an hochgefährlichen Vulkanen siedeln.
Auch auf Touristen üben Vulkane eine enorme Faszination aus: am Ätna schieben sich Buskolonnen an den Flanken hoch, Lavabrocken werden als Souvenirs verhökert. Der Fuji verzeichnet jährlich über eine Million Besucher, und auch die aktiven Vulkane im Hawaii-Volcanoes-Nationalpark locken Tag für Tag 4.000 Besucher an.
Vulkane ausstellen?
Ohne Zweifel ist die Ausstellung attraktiv konzipiert und mit geschickt ausgewählten Exponaten bestückt, genau wie auch die Wandtafeln alles im notwendigen Umfang beschreiben, ohne die Besucher durch überlange Texte zu ermüden. Doch fehlt den ersten Abschnitten irgendwie noch der große und spektakuläre Wumms.
Der kommt nun aber in Gestalt eines animierten Vulkanausbruchs, bei dem unter Donner und Blitz Aschewolken aufsteigen, rauchende Lavabrocken durch die Luft fliegen und sich flüssiges Magma ins Meer ergießt – angenehm ungefährlich, da auf die Dimensionen der Leinwand begrenzt.
Dass man es eigentlich auch anders machen könnte, zeigt das oberpfälzische Parkstein, wo aus dem Keller des kleinen Museums tatsächlich eine glühende Rauchsäule aufsteigt und unter heftigem Donnern und Blitzen das ganze Gebäude unter den Füßen der Besucher erzittert. Wahrscheinlich wäre eine solche Inszenierung im Rahmen einer temporären Ausstellung aber gar nicht möglich.
Gewünscht hätte man sich auch das eine oder andere Gemälde aus der Zeit der blutroten Sonnenuntergänge und der besonders eisigen Winter, verursacht vom fernen Tambora. Oder den einen oder anderen Film, etwa vom Mount St. Helens im Nordwesten der USA, dem bis heute am besten beobachteten und untersuchten plinianischen Ausbruch, der den gesamten nördlichen Berggipfel spektakulär absprengte.
Geistig bereits umfassend abgefüllt, dürfte auch so mancher Besucher gar nicht mehr so recht registrieren, dass es sich bei der originalgroßen Inszenierung einer Gebäudeecke aus Pompeji um ein Straßenrestaurant mit großen Essenstöpfen handelt. Und die Aufzugfahrt ins Erdinnere? Nun ja.
Katalog
Das im wbg Theiss Verlag erschienene Begleitbuch greift als eigenständiges Werk nicht einfach nur die in der Ausstellung behandelten Themen auf, sondern ergänzt sie um spannende Reportagen zu Forschungsreisen und zeigt dramatische Fotos von spektakulären Ausbrüchen weltweit.
Der Verfasser hat die Ausstellung am 23. April 2023 besucht. Ach ja, und der isländische Vulkan mit dem Zungenbrecher-Namen heißt übrigens Eyjafjallajökull.
Ausstellungshaus, Rosenheim
Alte Lokomotiven-Remise. Ausstellungen, die fundierte wissenschaftliche Basis mit aufwändiger, ästhetisch anspruchsvoller Gestaltung kombinieren.
Museum, Parkstein
Vulkanismus in Parkstein. Ausbruch, Erstarrung und Erosion des Basaltkegels. Vergangenheit Parksteins. Franz und Richard Strauss, Räuber Franz Troglauer. Heutiges Leben am Fuße des Vulkankegels, Naturschutzgebiet Hoher Parkstein, Vulkanlandschaft Bayern-Böhmen. Vulkanausbruch im Museum.
Museum, Schotten
Interaktive Erlebnisausstellung mit 12 Stationen, die das Thema Vulkanismus anschaulich erklären. Multi-Media-Installationen, inszenierte Räumen, interaktive Exponate und Experimentierstationen.
Bis 10.12.2023, Rosenheim
Die multivisuelle Schau zu den aktivsten Feuerbergen der Erde führt digital mitten hinein in einen gewaltigen Vulkanausbruch, läßt ihre Besucher virtuell zum Mittelpunkt der Erde und veranschaulicht, wie Menschen an und mit Vulkanen leben.
Bis 7.5.2023, Mettmann
Die Ausstellung lädt ein, den Alltag der Menschen in der einst reichen römischen Stadt Pompeji und die letzten Stunden bis zu ihrem Untergang nachzuempfinden.
Bis 22.9.2024, Bozen
Der Supervulkan von Bozen, eines der größten Vulkanereignisse der Weltgeschichte, erstreckte sich vor 280 Millionen Jahren von Meran bis Trient.
Museum, Königswinter
Entstehung der Landschaft, Burgen, Steinbrüche, Regional- und Wirtschaftsgeschichte, Tourismus und Rheinromantik.
Museum, Daun
Vulkanische Phänomene und Aktivitäten - weltweit und in der Vulkaneifel.
Museum, Bamberg
Regionale Naturgeschichte, historischer Ausstellungssaal