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Die Dorfstraße ist eng und verwinkelt, die Häuser schmucklos, und es müffelt vernehmlich nach Odel (für Nichtfranken: Jauche oder Gülle). Wir sind auf dem Land, inmitten einer 400-Seelen-Gemeinde, deren Bewohner sich dereinst bei drohender Gefahr in einen befestigten Kirchhof zurückziehen konnten, wo sie in weiser Voraussicht auch ihre Lagerräume (die sog. Gaden) hatten.
Hier, an diesem heute mehr anrüchigen als anheimelnden Ort, soll sich also ein einzigartiges Freilichtmuseum befinden. Mit Rathaus, historischer Gemeindebäckerei, einklassiger Dorfschule, Gasthaus und Kegelbahn, die allesamt nicht etwa aus den umliegenden Ortschaften hierher versetzt wurden, sondern noch an ihrem Ursprungsort (in situ) stehen. Ein hölzerner Wegweiser verweist auf das Schulmuseum, vor dem Betreten ist der Weg zum Kassenhäuschen obligatorisch.
Wer dort arbeitet, muss allerdings nicht nur „Landluft” vertragen, sondern auch wegstecken können, dass Vereinbarungen mit angemeldeten Gästen des Hauses vom Museumsleiter kurzerhand wieder einkassiert werden.
Der Verfasser würde ja in solchen Fällen zumindest nach außen hin das Gesicht seiner Mitarbeiter wahren, aber sei‘s drum: die Pressestelle sagt die Recherche schriftlich zu, der Chef vor Ort sagt nein, also nein.
Da bleibt nur noch Kopfschütteln. Es wäre ohnehin kein angenehmer Besuch gewesen, allein schon der speziellen Duftnote wegen, die nach wie vor über alledem hängt.
Historischer Weinbau
Wie völlig anders gestaltet sich doch der Besuch in der Museumsscheune des benachbarten Weindorfs Castell. Dort ist die Luft frisch, in den Rebhängen ringsum blühen die seltenen Weinbergtulpen, und das kleine Museum hat quasi Tag und Nacht geöffnet.
Es geht natürlich um Weinbau. Schon im Jahr 1659 wurde, wie ein Fund in den Annalen des Fürstlich Castell’schen Archivs beweist, in den hiesigen herrschaftlichen Weinbergen Silvaner angepflanzt, womit also nicht der Würzburger Lage Stein, sondern dem Casteller Schlossberg die Ehre gebührt, in Franken den ersten Silvaner kultiviert zu haben, immerhin sechs Jahre früher als in Würzburg.
Die Einführung des Silvaners in Franken fand kurz nach der Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges zu einer Zeit statt, die aufgrund einer lang anhaltenden Klimaverschlechterung eine grundlegende Umorientierung im fränkischen Weinbau erforderlich machte. Denn während im Mittelalter bis an die Ostsee hinauf Wein angebaut wurde, liegt das fränkische Weinbaugebiet heute am Rande der weinbaufähigen Gebiete Deutschlands.
In manchen Jahren gefährden immer wieder kalte Winter und Spätfröste die Reben. Deshalb wird hier am Rande des Steigerwaldes Wein vor allem in besonders geschützten, kleinklimatisch bevorzugten Lagen angebaut.
Zu Ernteausfällen kam es aber dennoch, und so wurde, um die Bauern nach einigen Missernten mit günstigen Krediten zu unterstützen, im Jahr 1774 hier die Castell-Bank gegründet.
Die Werkstatt Arnoldt
Im Jahr 1892 kaufte der Schreinermeister und Glaser Johann Georg Arnoldt (*1869) aus Prichsenstadt eine Schreinerei mit Wohnhaus am Casteller Kirchplatz und brachte sie auf neuen technischen Stand. Seine Aufträge sind in den Geschäftsbüchern (das erste von 1899) gut dokumentiert, Hauptabnehmer war die gräfliche bzw. ab 1901 fürstliche Familie.
In einer Schreinerwerkstatt der Jahrhundertwende wurde zum Verbinden von Holzteilen erhitzter Leim aus tierischen Abfällen verwendet. Der mit Restholz beheizbare Leimofen gehört daher ebenso zum Inventar des kleinen Museums wie eine Transmission samt Hobel- und Sägemaschine, wobei letztere im Werkstattraum so aufgestellt war, dass die Werkstücke von draußen durch das geöffnete Werkstattfenster zugeführt werden konnten. Denn im Haus des Schreinermeisters und seiner Familie ging es eng zu, und oft genug musste auch die Straße vor der Werkstatt mit genutzt werden.
Georg Arnoldt fertigte in seiner Werkstatt auch Schilder an, unter anderem 1908 das Schild für die 1870/71 gepflanzte Friedensulme am Kirchberg. Auch für den letzten irdischen Weg eines jeden Castellers war der ortsansässige Meister der Hobel und Sägen gefragt, wie eine Vitrine mit den typischen Bauteilen eines Sarges belegt. Wie viele der alteingesessenen Weinbauern wohl in so einem Arnold'schen Erdmöbel ihrer Auferstehung entgegenschlummern?
Nach 1957 stand die Werkstatt still und wurde von den Erben verkauft, konnte jedoch 2008, noch immer komplett, vom Heimatverein zurückgeholt werden.
Kirchenburgen
Mit einer Einraumschule oder einem historischen Gasthaus kann der schmucke Weinort zwar nicht aufwarten, solche Kleinodien sind andererseits aber auch nicht so einzigartig, dass sich nicht ganz in der Nähe eine Alternative zu jenem Ort finden ließe, wo dem Verfasser eine so schnöde Behandlung zuteil geworden war.
Das Fränkische Freilandmuseum im gut 30 Kilometer entfernten Bad Windsheim wäre zum Beispiel so ein Ort, wo nicht nur ein einzelnes fränkisches Dorf mit allem Drum und Dran bestaunt werden kann, sondern sogar deren mehrere. Samt weitläufigem Gelände mit Feldern und Wiesen, Kühen und Hühnern und einer Gänseschar.
Und auch Kirchenburgen gibt es in Franken zuhauf, im nahen Kleinlangheim etwa und damit quasi in Sichtweite der Museumsscheune.
Wer Deutschlands größte und besterhaltene Gaden-Kirchenburg besuchen möchte, muss freilich ein paar mehr Kilometer zurücklegen: sie steht in Ostheim vor der Rhön.
Museum, Iphofen
Fränkisches Dorf in gewachsener Situation mit Kirchenburg. Geschichte und Bedeutung von Kirchenburgen, dörfliches Handwerk, Weinbau in Franken.
Museum, Castell
Weinbau in Castell von früher bis in die Neuzeit. Handwerk in einem herrschaftlichen Dorf am Beispiel der Schreinerei Arnold. Geschichte und Brauchtum.
Burg, Ostheim vor der Rhön
Größte und besterhaltene Gaden-Kirchenburg Deutschlands. Doppelte Ringmauern, Bastionen und ca. 60 Vorratskeller. Übersichtskarte, Modell und bebilderte Kurzbeschreibungen zu den wichtigsten Kirchenburgen in Südthüringen und Unterfranken.
Museum, Bad Windsheim
Kulturgeschichte und Volkskunde der ländlichen Bevölkerung vom Spätmittelalter bis in die Gegenwart. Eines der größten Freilichtmuseen Bayerns.
Museum, Abtswind
Firmenmuseum des Abtswinder Kräuter-Gewürz-Teeladens. Anbau und Verarbeitung der verschiedenen Gewürz- und Heilpflanzen, Tee- und Kaffeesorten. Sammlung von Samowaren.
Museum, Iphofen
Abgüsse berühmter Bildwerke aus fünf Jahrtausenden und vier Erdteilen.