Museum
Das Nibelungenlied, eines der wichtigsten Werke der europäischen Heldendichtung und Teil des Weltdokumentenerbes der UNESCO, hat wie kein anderes literarisches Werk die Geisteswelt im deutschsprachigen Raum beeinflusst. Der Text, von dem drei verschiedene Fassungen vorliegen, wurde zu Beginn des 13. Jahrhunderts niedergeschrieben, der Stoff selbst ist jedoch bedeutend älter und reicht bis in die Zeit der Völkerwanderung zurück. Die bekannte Strophe „uns ist in alten mæren wunders vil geseit” wurde allerdings erst später einleitend hinzugefügt.
Das ursprünglich Nibelungen(h)ort genannte Museum in den historischen Gebäuden des Mitteltores und Meerturms sowie in einem mittelalterlichen Wehrgang veranschaulicht mit faszinierenden Objekten, Inszenierungen und Filmen die immens große Bedeutung dieses Epos, das von seinen Ursprüngen über das Mittelalter und bis in die Gegenwart hinein auf unterschiedlichste Weise alle Bereiche der Politik, Kultur und Gesellschaft beeinflusst hat.
Die Wölsungen
Bevor das Nibelungenlied um 1200 niedergeschrieben wurde, wurde der Stoff von Sigurd (Siegfried) dem Drachentöter in verschiedenen Sagen erzählt. Eine der nordischen Heldensagen ist die Wölsungensage (Völsunga Saga), deren Motive u.a. auf dem Portal einer norwegischen Stabkirche sehen sind.
Die große europäische Sage
Mit dem Wiederauffinden der ersten der drei Nibelungenhandschriften Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Geschichte um Siegfrieds Tod und Kriemhilds Rache zum Nationalepos der sich bildenden deutschen Nation.
Legende und Wirklichkeit liegen oft eng beieinander und lassen sich nur schwer voneinander unterscheiden. Die Handschriften unterscheiden sich erheblich in Länge und Stil, jedoch wird in allen Xanten als der Geburtsort Siegfrieds erwähnt: „in einer rîchen bürge wîten wol bekannt, nidene bî dem Rîne diu was ze Sántén genant”.
Der Inhalt des Liedes
Das berühmte mittelhochdeutsche Heldenepos ist das poetische Extrakt aus mehreren Sagen.
Im ersten Teil wird vom jungen Siegfried erzählt, der den Schatz der Nibelungen erkämpft und durch ein Bad im Drachenblut beinahe unverwundbar wird. Er wirbt um die schöne Königstochter Kriemhild, darf sie aber erst ehelichen, nachdem er ihrem Bruder Gunther mittels seines Tarnmantels zum Sieg über die als unbezwingbar geltende Brünhild verholfen hat.
Seine spätere Ermordung durch Brünhilds Gefolgsmann Hagen, der sich unter einem Vorwand Kenntnis von Siegfrieds verwundbarer Stelle verschafft, zieht die furchtbare Rache Kriemhilds und damit den Untergang der Burgunden nach sich, der dann im zweiten Teil des Epos erzählt wird: die Hunnen unter König Etzel, Kriemhilds zweitem Ehemann, und die Burgunden schlachten sich gegenseitig ab, Kriemhild lässt ihren Bruder Gunther köpfen und tötet mit eigener Hand Hagen, der ihr bis zuletzt nicht verrät, wo er den Nibelungenschatz versteckt hat.
Die Handelnden
Im mittelalterlichen Wehrgang charakterisieren und beschreiben sich die Helden in einer Reihe von Texttafeln selbst: Siegfried, Kriemhild , Brünhild, Gunther, Hagen von Tronje, Giselher, Rüdiger von Bechelaren) und Volker von Alzey.
Deutsches Kaiserreich
Die Nibelungen wurden später zu einem beliebten Motiv sowohl in der Kunst des Kaiserreichs als auch in der Werbung: verschiedene Firmen legten ihren Produkten Nibelungenbilder bei.
Und auch die Politik bediente sich ihrer: das Bild Bismarcks als Siegfried, der die deutsche Einheit von 1871 schmiedet, wurde massenhaft verbreitet.
Wilhelm I. verabschiedete am 27. Juli 1900 das Expeditionskorps, das den Boxeraufstand in China niederschlagen sollte, mit den Worten „wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht…”.
Reichskanzler Fürst von Bülow wiederum bezeichnete am 29. März 1909 das enge Verhältnis Deutschlands zu Österreich-Ungarn als „Nibelungentreue”, und eine wichtige Verteidigungslinie an der Westfront wurde als „Siegfriedstellung” bezeichnet.
Weimarer Republik
Paul von Hindenburg, Chef der Obersten Heeresleitung und späterer Reichspräsident, sah die Schuld für die Niederlage Deutschlands nicht bei der Armee, denn die sei „von hinten erdolcht” worden: „Wie Siegfried unter dem hinterlistigen Speerwurf des grimmen Hagen, so stürzte unsere ermattete Front”.
Die Dolchstoßlegende war bei den rechten Parteien in den 1920er Jahren eines der am häufigsten benutzten Motive in der Propaganda gegen die Republik.
Der Bildhauer Ernst Barlach schuf eine Serie von Nibelungenbildern. Und unter dem Regisseur Fritz Lang entstand der zweiteilige Film „Die Nibelungen”, der am 14. Februar (Siegfried) und am 26. April 1924 (Kriemhilds Rache) im Ufa-Palast in Berlin uraufgeführt wurde.
Drittes Reich
Adolf Hitler berief sich 1924 in „Mein Kampf” mehrmals auf „Siegfried” und die Dolchstoßlegende. Er war ein glühender Verehrer Wagners und seiner Musik und unterstützte die mit Richards Sohn Siegfried verheiratete Winifred Wagner, mit der ihn seit 1923 eine enge Freundschaft verband.
Der Verfasser hat das Museum am 1.3.2022 besucht.
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